Yasmin Fahimi "Steuerdebatten halte ich jetzt für wenig sinnvoll"

Berlin · Yasmin Fahimi, SPD-Generalsekretärin, spricht im Interview mit unserer Redaktion über den Mindestlohn, Klimaschutz und störende Debatten mit linken Sozialdemokraten. Eine Steuerdebatte will sie jedoch nicht führen.

Das ist Yasmin Fahimi
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Die Kanzlerin hat den Mindestlohn ebenso wie Sie gegen die Kritik der Wirtschaftsweisen verteidigt. Bei dieser Kanzlerin kann sich die SPD doch gut aufgehoben fühlen, oder?

Noch besser würden wir uns als SPD natürlich mit einem eigenen Kanzler oder einer eigenen Kanzlerin aufgehoben fühlen. Im Ernst: Die große Koalition arbeitet eng und vertrauensvoll zusammen und die Kanzlerin steht fest zum Koalitionsvertrag — und das ist gut so.

Warum ist der wirtschaftspolitische Kurs der Koalition richtig?

Unser Kurs ist richtig, weil wir Wirtschaftspolitik und soziale Gerechtigkeit nicht gegeneinander ausspielen. Das Rentenpaket und der Mindestlohn schaden dem Standort nicht, sondern stärken das Land, weil sie die Binnenkonjunktur ankurbeln, denn die Menschen haben mehr Geld in der Tasche.

Der Verlust von Jobs durch den Mindestlohn dürfte die Binnenkonjunktur dämpfen.

Der Mindestlohn wird im Saldo keine Jobs kosten, davon bin ich überzeugt. Wer auf Dumpinglöhne setzt, der hat kein Geschäftsmodell. Gerade deshalb habe ich mich so geärgert über die Aussagen der so genannten Wirtschaftsweisen. Gerade viele mittelständische Unternehmen in Deutschland freuen sich über den Mindestlohn, weil sie damit aus dem Lohndumping-Wettbewerb herauskommen.

Die Rente mit 63 wird deutlich teurer als von Frau Nahles bekannt gegeben. Hat uns die Ministerin hinters Licht geführt?

Ganz sicher nicht. Ich finde es gut, dass die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren auf viel Interesse stößt. Wie hoch die Kosten für das Rentenpaket sein werden, wird sich am Ende erweisen. Die Rentenversicherer haben selbst darauf hingewiesen, dass viele der jetzigen Anträge sich aufs nächste Jahr beziehen könnten.

Der Wähler hat nicht verstanden, dass er die Rente mit 63 und den Mindestlohn der SPD zu verdanken hat. Ihre Umfragewerte wollen einfach nicht steigen. Warum ist das so?

Wenn wir auf die konkreten Wahlergebnisse blicken, können wir feststellen, dass wir mit Ausnahme von Thüringen sehr ordentlich abgeschnitten haben. Die große Koalition im Bund gibt der SPD Rückenwind. Wir regieren in 14 von 16 Bundesländern, wir stellen neun Ministerpräsidenten und in neun der zehn größten Städte den Oberbürgermeister. Das ist eine Erfolgsgeschichte. Die SPD bleibt eine Volkspartei. Ich bin überzeugt, dass unsere bundesweiten Werte auch bald steigen werden.

Mit Verlaub: In Thüringen verhilft die SPD einem Linken ins Ministerpräsidentenamt.

In Thüringen trägt die CDU eine Mitverantwortung dafür, dass es keine Wiederauflage der großen Koalition gibt, weil sie die Arbeit der SPD in der Regierung in Misskredit gebracht hat und in den eigenen Reihen instabil ist.

Warum ist das schlau von der SPD, sich mit Bodo Ramelow einen neuen Linken-Star gewissermaßen heran zu züchten?

Wir müssen mit den schwierigen Ausgangsbedingungen in Thüringen umgehen. Dort liegen wir, so sehr ich es bedauern mag, weit hinter der Linken. Nun ist es Andreas Bausewein gelungen, viele Punkte unseres Wahlprogramms in den Sondierungsgesprächen durchzusetzen. Der Landesvorstand hat einstimmig, die Mitglieder mit großer Mehrheit für Rot-Rot-Grün gestimmt. Natürlich ist es eine schwierige Abwägung und ich fürchte, dass einige SPD-Mitglieder die Partei aus Enttäuschung verlassen werden. Aber: Eine Neuauflage des Bündnisses mit der CDU hätte mindestens ebenso viele SPD-Mitglieder zum Austritt bewegt.

Wenn Sie in Thüringen Ihre Inhalte am besten umsetzen können, dann doch auf Bundesebene auch, oder?

Auf Bundesebene haben wir eine ganz andere Situation. Im Moment halte ich die Linke wegen ihrer außenpolitischen Haltungen nicht für regierungsfähig…

…aber sie hat ja noch drei Jahre Zeit bis 2017, um dann regierungsfähig zu sein.

Wir schließen eine rot-rot-grüne Bundesregierung nach der Wahl 2017 jetzt ja auch nicht aus; wir bleiben aber skeptisch.

Zur aktuellen Debatte in der SPD um die Verhandlungen bei den Freihandelsabkommen Ceta und TTIP: Welche Position vertreten Sie in Bezug auf mögliche Schiedsgerichte?

Unsere Gerichtsbarkeit und Parlamentsbeschlüsse dürfen nicht durch Schiedsgerichte für Investoren ausgehebelt werden— egal, welche Formulierungen in den Freihandelsabkommen dazu gefunden werden.

Ärger gibt es innerhalb der SPD auch um die Frage des Ausstiegs aus dem Kohlestrom. Will Ihre Partei nun Kraftwerke nach und nach abschalten oder länger im Markt halten?

Ich setze darauf, dass wir so schnell wie möglich klären, wie lange wir auf Kohlestrom setzen wollen. Die Debatte wird dadurch angeheizt, dass es um einen für die Energieversorger um einen Milliardenmarkt geht.

Haben Sie Verständnis für die Sorgen der Konzerne?

Meine Sorge gilt weniger den Energiekonzernen als dem Strompreis, den alle Verbraucher und Industrie künftig bezahlen müssen. Nimmt man Kohlekapazitäten aus dem Strommarkt, sind — solange die Erneuerbaren noch nicht stark genug sind — Gaskraftwerke stärker gefragt, die deutlich teurer produzieren. Dadurch würde der Strompreis massiv steigen — für die Verbraucher, vor allem aber auch für die Industrie, was viele Arbeitsplätze gefährden würde. Ich halte deswegen nichts davon, überhastet aus der Kohleverstromung auszusteigen.

Wie bewerten Sie die Pläne der SPD-Linken, am Wochenende in Magdeburg ein neues Forum zu gründen, um schlagfertiger zu werden?

Grundsätzlich begrüße ich es, wenn sich die unterschiedlichen Strömungen in meiner Partei gut aufstellen, weil dies Kompromisse erleichtert.

Wie stehen Sie zur Vermögenssteuer? Halten Sie die Idee wie Gabriel für endgültig tot oder plädieren Sie wie die Linken für ein Festhalten an der Abgabe nach 2017?

Steuerdebatten halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für wenig sinnvoll. Die SPD ist so erfolgreich wie lange nicht mehr. Wir haben den Mindestlohn durchgesetzt, die gerechte Rente mit 63, die Mietpreisbremse und vieles mehr. Nach Jahren des Nichtstuns unter Schwarz-Gelb treiben wir die Energiewende voran. Deutschland steht wirtschaftlich so gut da wie lange nicht. Sozialdemokratischer geht es also nicht. Deshalb kann ich Rufe nach einem Kurswechsel jetzt nicht nachvollziehen.

(jd, mar)
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