Kommentar Streik auf dem Rücken der Fahrgäste

Meinung · Streik im Personenverkehr bis einschließlich Sonntag: Das ist die maximale Kampfansage an die Deutsche Bahn – auf dem Rücken der Fahrgäste. Und das Publikum rätselt immer mehr, worum es bei diesem erbitterten Arbeitskampf überhaupt geht.

Lokführer-Streik: Von A wie Arbeitszeit bis Z wie Zetsche
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Foto: dpa, Arno Burgi

Streik im Personenverkehr bis einschließlich Sonntag: Das ist die maximale Kampfansage an die Deutsche Bahn — auf dem Rücken der Fahrgäste. Und das Publikum rätselt immer mehr, worum es bei diesem erbitterten Arbeitskampf überhaupt geht.

Es soll kein falscher Verdacht aufkommen: Streik ist ein grundgesetzlich garantiertes Recht, um Tarifforderungen durchzusetzen. Dafür folgt er gesetzlichen Regeln innerhalb der Tarifautonomie, die ein Grundbestandteil unserer Wirtschaftsordnung ist. Aber, wie bei anderen Rechten auch, sollten sich die Handelnden über ihr Tun und die Folgen genau Rechenschaft ablegen. Der Erfolg eines Streiks hängt nicht zuletzt davon ab, ob er trotz der nachteiligen Wirkung für die Betroffenen das Verständnis der Allgemeinheit findet. Denn die ist meist von einem Streik direkt oder indirekt betroffen. Beim Bahnstreik schätzen Wirtschaftsexperten den Schaden auf 100 Millionen Euro pro Tag. Das ist nicht wenig.

Schon sieben Mal haben die Lokführer gestreikt, um ihren Verhandlungen Nachdruck zu verleihen. Eine Urabstimmung nach formell gescheiterten Verhandlungen gab es noch nicht. Es handelt sich vielmehr um Warnstreiks, um bei laufenden Gesprächen Druck auf die Arbeitgeberseite zu machen. Auch das ist ausdrücklich vom Recht auf Streik nach Artikel neun des Grundgesetzes abgedeckt. Es macht aber Tarifkonflikte endlos, wenn beide Seiten es darauf anlegen, nicht zu einem Kompromiss zu kommen.

Und diesen Vorwurf muss man beiden Seiten machen. Weder die Bahn noch die Gewerkschaft zeigen ernsthaft Absichten, einen Teil ihrer Positionen aufzugeben und zu einem Kompromiss zu kommen. Die Bahn hofft stattdessen auf das Tarifeinheitsgesetz, das die GDL als Verhandlungspartner für die Zugbegleiter hinauskatapultieren würde. Klar, dass GDL-Chef Klaus Weselsky hier empfindlich reagiert und die Verzögerungstaktik seines Gegenübers Ulrich Weber, des Personalvorstands der Bahn, mit massiven Streiks konterkarieren will. Hier müsste die Bahn einlenken und der GDL einen gesichtswahrenden Abschluss zugestehen und nicht die Fahrgäste für den langen politischen Prozess der Gesetzgebung bluten lassen. Das Gesetz, wenn vom Bundestag verabschiedet, würde dann für den nächsten Tarifkonflikt gelten.

Die GDL verwirrt mit ihren Aussagen zu diesem Arbeitskampf ebenfalls. Mal geht es um die Lohnforderungen der Lokführer, mal um einen gesonderten Vertrag für die von der GDL vertretenen Zugbegleiter, jetzt auf einmal für die Rangierführer, eine dritte Gruppe, die bislang noch nicht so im Mittelpunkt des Interesses stand. Für den Fahrgast ist das alles nicht mehr nachvollziehbar. Deshalb verliert der Streik derzeit rasend an Verständnis. Am Ende sieht es so aus, als ob sich zwei halsstarrige Tarifpartner partout nicht einigen wollen. Damit höhlen die Beteiligten das Streikrecht aus. Das ist vielleicht die größte Gefahr, die von diesem Konflikt ausgeht. Deshalb muss so schnell wie möglich wieder Vernunft bei Weselsky, Weber und Co. einkehren.

(kes)
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