Streit um WLAN in Kanadas Naturreservaten

Jasper · Klare Bergseen, tiefe Wälder, einsame Campingplätze: Kanadas Nationalparks sind viel gerühmt wegen ihrer unberührten Natur und ihren unendlichen Weiten. Sie sind Traumziele für Aussteiger, Rückzugsorte für Stressgeplagte und Oasen der Ruhe für Besucher aus aller Welt. Doch mit der Stille und Abgeschiedenheit könnte es in vielen Parks bald vorbei sein. Statt entspannt dem Ruf der Wildnis zu folgen, droht Urlaubern womöglich bald der Anruf des Chefs und das Bimmeln von Smartphones.

Kanada will seine Nationalparks in die Moderne führen und dabei das Internet und die drahtlose Kommunikation erstmals großflächig bis in die entlegensten Schutzgebieten bringen. Das hat die staatliche Parkbehörde jetzt im Rahmen einer landesweiten Ausschreibung angekündigt und damit eine heftige Kontroverse ausgelöst. 150 sogenannte WLAN-Hotspots, an denen sich Besucher drahtlos in das Internet einwählen können, will die Regierung in den nächsten drei Jahren in den insgesamt 44 Parks einrichten. Dort sollen Besucher nach Belieben surfen, posten oder twittern können, zumeist kostenlos. Das betrifft stark besuchte Parks wie Banff oder Jasper in den Rocky Mountains, aber auch einsame Schutzgebiete im hohen Norden oder in der Arktis.

Geteiltes Echo

Bislang ist der Mobilfunkempfang in vielen Nationalparks in Kanada höchstens sporadisch, und Internet-Anschluss gibt es nur in wenigen Verwaltungsgebäuden oder Infozentren. Was viele Urlauber als willkommene Auszeit empfinden, hält die Regierung für rückständig. Ziel der Online-Offensive sei es, wieder mehr jüngere Menschen in die Wildnis zu locken, erläuterte jetzt der Vizepräsident der kanadischen Parkbehörde, Andrew Campbell. Tatsächlich sind die Besucherzahlen in den Nationalparks in den letzten zehn Jahren um knapp zehn Prozent gesunken. Vor allem jüngere Kanadier begeistern sich immer seltener fürs Paddeln, Zelten oder Wandern — dafür umso mehr für Twitter, Facebook oder Instagram.

So auch Melissa Mandel. Die junge Kanadierin sitzt in einem Café im Örtchen Jasper an ihrem Laptop und sagt: "WLAN? Höchste Zeit! Dann kann ich endlich meine Fotos von Grizzly-Bären oder Wapiti-Hirschen in Sekundenschnelle an meine Freunde senden." Eingefleischte Naturliebhaber sind zurückhaltender. "Eigentlich gehen wir campen, weil wir wenigstens einmal im Jahr komplett abschalten wollen", schreibt eine Frau auf Facebook. "Ein klingelndes Smartphone im Nachbarzelt? Da bleibe ich lieber gleich zu Hause!", twittert ein anderer. Umweltschützer sorgen sich auch um die vielen Funkmasten, die womöglich gebaut werden.

Die Parkverwalter beschwichtigen. Niemand wolle Berggipfel, Gletscher oder Kanurouten mit Internet-Empfang ausstatten, betonte Vizechef Campbell. "Früher saßen die Menschen am Lagerfeuer und haben ihren Freunden eine Postkarte geschrieben", erklärte er. "Heute senden sie Grüße übers Internet."

(RP)
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