Suche nach den letzten Zeugen

Einer der Sätze, die der Holocaust-Überlebende Max Mannheimer nie müde wurde zu sagen, war: "Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon." Er erzählte Schülern von der Nazi-Zeit, mahnte, erinnerte. Er starb mit 96 Jahren, letzten Herbst. Wie viele Zeugen der NS-Zeit noch leben, ist unklar - aber das Ende dieser Ära naht.

Stiftungen und Vereine bemühen sich, Geschichten und Gegenstände zu bewahren. Yad Vashem, die 1953 gegründete, größte internationale Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem, sucht Material. "Jeder Originalgegenstand, der uns geschickt wird, ist für uns von Interesse", heißt es: Briefe, Postkarten, Tagebücher, Familienerbstücke, religiöse Objekte und alles, was Juden in den Ghettos, Lagern, im Versteck hergestellt oder benutzt haben. Allein die Sammlung der Fotografien aus der Zeit des Holocausts ist mit mehr als 214.000 Bildern die größte der Welt. Zudem dokumentiert Yad Vashem persönliche Geschichten von Überlebenden. Opfer oder Angehörige können sich online registrieren und das Archiv einsehen - mit bislang 4,2 Millionen Namen der rund sechs Millionen ermordeten Juden.

Weg von anonymen Zahlen hin zu persönlichen Schicksalen möchte auch der Düsseldorfer Verein "Heimatsucher". 2010 wurde er von zwei Designstudentinnen initiiert; heute unterstützen das Projekt 80 Ehrenamtler und mehr als 100 Mitglieder. Mit Porträts, Interviews und Videos werden die Geschichten von Zeitzeugen konserviert und in Ausstellungen oder Schulstunden vorgestellt. Ziel sei, erklärt Gründerin Sarah Hüttenberend (31), dass jeder Schüler auch in Zukunft Zeitzeugen auf diese Weise kennenlernen kann.

Auch aus Sicht der Justiz sind Zeitzeugen 72 Jahre nach Kriegsende bedeutend. Aktuell sucht die Staatsanwaltschaft Dortmund im Prozess gegen einen Ex-Wachmann nach Überlebenden aus dem KZ Stutthof bei Danzig. Dabei gehe es nicht darum, über 90-Jährige hinter Gittern zu bringen. "Es ist wichtig, dass Opfer öffentlich ihre Geschichte erzählen können", sagt Oberstaatsanwalt Andreas Brendel von der nordrhein-westfälischen Zentralstelle für NS-Verbrechen in Dortmund. Prozesse mit lebenden Zeugen hätten einen historischen Wert. "Auch die juristische Aufarbeitung ist Teil der Erinnerung", sagt Brendel. Das Ende der Prozesse gegen NS-Verbrechen ist absehbar. "Aber solange es geht, werde ich dazu beitragen."

(RP)
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