Analyse Amerikas Angst vor "Super-Trump"

Washington · Zu lange haben die Republikaner ihren Präsidentschaftsanwärter Donald Trump als schräges Kurzzeitphänomen belächelt. Jetzt fürchten sie, dass der "Super Tuesday" aus ihm wirklich den Kandidaten macht.

Donald Trump: Das ist der Unternehmer und Ex-Präsident
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Das ist Donald Trump

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Foto: AP/Andrew Harnik

Panik und Ratlosigkeit, Alarmstimmung und bereits eine Prise Fatalismus: Noch nie in der jüngeren Vergangenheit haben die Strategen der "Grand Old Party" derart schockiert auf ein Bewerberrennen in den eigenen Reihen geschaut.

Zu lange haben sie, ähnlich wie die meisten Kolumnisten, Donald Trump als schräges Kurzzeitphänomen belächelt. Zu lange galt das Szenario, nach dem sich der selbstverliebte Unternehmer die Präsidentschaftskandidatur seine Partei sichern könnte, als zu absurd, um es ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Inzwischen marschiert Trump mit einem Schwung durch die Vorwahlen, dass die ersten Rivalen von früher bereits zu ihm überlaufen. Den Anfang machte Chris Christie, der Gouverneur New Jerseys, der den Baulöwen einst wegen großmäulig übertünchter Inhaltsleere verspottet hatte und sich nun den Vorwurf gefallen lassen muss, dass sein Opportunismus keinerlei Anstandsgrenzen kennt.

Monatelang galt die Devise, den Prahlhans schlicht zu ignorieren, nachdem er im Juni in den Ring gestiegen war. Es galt das Prinzip Hoffnung, nach dem sich Trump, zuletzt vor allem als Star einer Reality-Show in Erscheinung getreten, auf dem glatten Parkett der Politik derart blamieren würde, dass seinem Aufstieg ein jäher Fall folgen musste. Die Rechnung ist nicht aufgegangen. Trump hat die Vorwahlen in drei der vier Staaten gewonnen, die traditionell den Auftakt bilden. Seine Anhänger, allen voran die frustrierte weiße Arbeiterschaft, halten ihm bislang so unbeirrt die Treue, dass alle Attacken gegen ihn nahezu wirkungslos bleiben. Vor dem Super Tuesday liegt er in neun der zwölf Bundesstaaten, deren Wähler am Dienstag entscheiden und die zusammen 595 der 2472 Delegiertenstimmen für den Nominierungsparteitag im Juli zu vergeben haben, in den Umfragen an erster Stelle. Bestätigen sich die Prognosen, ist Trump womöglich schon in wenigen Wochen der Kandidat der Konservativen für die Nachfolge des Präsidenten Barack Obama.

Aus Sicht des Establishments bedeutete es, dass ein Alptraum wahr würde. Mit Trump, orakelt Nikki Haley, die Gouverneurin South Carolinas, Tochter indischer Sikhs, hätte die Partei keine Chance, das Finale gegen Hillary Clinton, die voraussichtliche Kandidatin der Demokraten, zu gewinnen. Bei höchstens 35 Prozent der amerikanischen Wähler fände der Mann Unterstützung, glaubt Haley. Selbst manche Anhänger der Republikaner würden Clinton den Zuschlag geben, um Trump zu verhindern.

Am Wochenende sorgte der Immobilienmogul einmal mehr für Furore, als er es ablehnte, sich vom Ku-Klux-Klan zu distanzieren. David Duke, ein früherer Anführer des rassistischen Bundes der Kapuzenmänner, hatte ihn zur Wahl empfohlen. Bei CNN darauf angesprochen, sagte Trump, er wisse nichts über Duke, sodass er ihn auch nicht verurteilen könne. Zuvor hatte er den 6,48 Millionen Interessierten, die ihm bei Twitter folgen, ein Zitat des italienischen Diktators Benito Mussolini ans Herz gelegt: "Besser einen Tag als Löwe leben als hundert Jahre als Schaf". Die Frage eines NBC-Moderators, ob er die geistige Nähe eines Faschisten suche, beantwortete er mit achselzuckender Lässigkeit: Der Spruch gefalle ihm, ob er nun auf Mussolini zurückgehe oder auch nicht.

Welche Alarmstimmung der Höhenflug des Populisten ausgelöst hat, ließ sich dieser Tage an einem dramatisch formulierten Leitartikel der "Washington Post" ablesen. Republikaner wie Mitt Romney, George W. Bush oder John McCain müssten alles in ihrer Macht Stehende tun, um Trump zu stoppen, mahnte das Blatt. "Er will, dass die Vereinigten Staaten Kriegsverbrechen begehen, darunter Folter und die Ermordung unschuldiger Angehöriger von Terrorverdächtigen." Trump verehre Wladimir Putin und würde elf Millionen illegal eingewanderte Menschen deportieren, "eine Zwangsumsiedlung von einer Dimension, wie sie seit Stalin oder Pol Pot nicht versucht wurde". Im Laufe der Kampagne habe er Frauen, Juden, Muslime, Mexikaner, Behinderte und viele andere herabgesetzt. Ob sich die Republikanische Partei nicht endlich mit aller Kraft gegen ihre eigene Entwürdigung wehren wolle, fragte die Zeitung.

Die Hoffnungen, den Durchmarsch des Seiteneinsteigers noch aufzuhalten, ruhen auf komplizierten Drehbüchern — und auf Marco Rubio, dem aufstrebenden Senator aus Florida. Alle setzen praktisch voraus, dass Rubio als einziger Gegner Trumps im Rennen bleibt. Je früher die drei anderen (Ted Cruz, John Kasich, Ben Carson) aussteigen, desto besser aus Sicht der Parteistrategen.

Die wünschen sich momentan nichts sehnlicher, als dass Cruz, ein Tea-Party-Senator aus Texas, am Dienstag in seinem Heimatstaat den Kürzeren zieht, selbst wenn es Trump ist, der ihn besiegt. Sollte Cruz im eigenen Beritt verlieren, wäre sein Verbleib im Wettstreit kaum noch zu rechtfertigen. Rubio wiederum würde es genügen, am Super Tuesday relativ gut abzuschneiden, selbst wenn er in den meisten Staaten nur auf Platz zwei landet, um danach zur Offensive zu blasen. Am 15. März käme es dann zum Showdown zwischen Rubio und Trump. An dem Tag finden in Florida, Illinois, Missouri und Ohio erstmals in diesem Wahlzyklus Primaries statt, die sich statt nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit nach der Regel "Winner takes all" richten. Das heißt, der Erstplatzierte holt sämtliche Delegiertenmandate, während der Zweitplatzierte leer ausgeht. Nicht auszuschließen, dass Rubio das Kunststück gelingt. Allerdings setzt es wohl voraus, dass auch Kasich bis dahin das Handtuch wirft. Der Gouverneur Ohios gilt als Favorit in seinem eigenen Bundesstaat, er müsste das Feld also vor dem 15. März räumen, um Rubio im "Buckeye State" freie Bahn zu verschaffen. Momentan deutet nichts darauf hin, dass er sich darauf einlassen wird. Die Abwehrstrategie gegen Trump, sie ist eine Rechnung mit sehr vielen Unbekannten.

(RP)
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