Washington Susan Rice wird Obamas Sicherheitsberaterin

Washington · Die bisherige UN-Botschafterin wird eine der mächtigsten Frauen des Landes. Rice gilt als kühle Analytikerin der Weltpolitik.

Susan Rice hat Barack Obama bereits beraten, da war er noch Präsidentschaftskandidat und sie seine Strategin in Sachen Weltpolitik. Was beide verbindet, ist ein stocknüchterner Blick auf einen Globus, in dessen Konzert neue Solisten wie China, Indien oder Brasilien mitspielen. Keine Spur von Nostalgie, kein gebetsmühlenartiges Beschwören früherer amerikanischer Stärke, wie es für manchen Grauschopf in Washington noch immer eine Pflichtübung ist.

Wäre es nach dem Präsidenten gegangen, säße Rice heute als Amts-erbin Hillary Clintons in der siebten Etage, der Chefetage, des Außenministeriums. Daraus wurde nichts, weil die Republikaner Sturm liefen und sich abzeichnete, dass der Senat die Beförderung der UN-Botschafterin zur Außenministerin blockiert hätte. Nun holt Obama seine Schwester im Geiste an die Spitze des nationalen Sicherheitsrats.

Was auf den ersten Blick wie ein Trostpflaster wirkt, rückt die 48-Jährige in Wahrheit ins Zentrum der Macht. Oft sind es die Sicherheitsberater, die außenpolitisch die Weichen stellen. Henry Kissinger zog im Weißen Haus Richard Nixons ebenso die Fäden, wie es Zbigniew Brzezinski unter Jimmy Carter und Condoleezza Rice unter George W. Bush taten. Das Spießrutenlaufen im Kongress können sich Sicherheitsberater ersparen, denn bei dieser Personalie hat das Parlament kein Mitspracherecht. Kurzum, eine Portion Trotz war wohl mit im Spiel, als Obama seine alte Vertraute auf den einflussreichen Posten berief.

Dass sie ihre Ambitionen aufs Außenamt begraben musste, sah der Präsident als fatale Folge eines Kesseltreibens. Im September 2012 setzte sich Rice in die Studios der sonntäglichen Polit-Talkshows, um über den Mord an US-Botschafter Christopher Stevens im libyschen Bengasi zu reden. Die Diplomatin sprach von spontan aufwallendem Volkszorn, provoziert durch ein Schmähvideo über den Propheten Mohammed. Die Version erwies sich als falsch, tatsächlich hatte eine Zelle islamistischer Fanatiker das Attentat akribisch geplant. Allerdings trug Rice lediglich vor, worauf sich CIA, State Department und Pentagon nach langen Debatten verständigt hatten — eine grotesk glattgebügelte Geschichte, eine Art gemeinsamen Nenner übervorsichtiger Bürokraten. "Sie hat bewiesen, dass sie Fakten entweder nicht versteht oder nicht gewillt ist, sie zu akzeptieren", bekam sie später von John McCain, dem altgedienten Senator, zu hören. Die Art, wie sie als abgeklärt lügende Propagandistin durch den Kakao gezogen wurde, muss Obama als grobe Ungerechtigkeit empfunden haben. So gesehen, ist die Berufung auch eine Art Retourkutsche.

Unklar ist, was die Personalie über seinen weltpolitischen Kurs aussagt. Denkbar sind neue Akzente in der Syrien-Strategie, eine schrittweise Abkehr von der Abwartehaltung, wie sie der je nach Sichtweise gründlich abwägende oder verzagt agierende Präsident seit Beginn des Bürgerkriegs an den Tag legt. Als es vor zwei Jahren um Libyen ging, plädierte Rice neben Clinton und Samantha Power, ihrer Nachfolgerin als UN-Botschafterin, am energischsten dafür, auf Seiten der Aufständischen gegen Muammar al Gaddafi zu intervenieren. Prompt machte das Wort von den "women warriors" die Runde, den Kriegerinnen, die mutig anredeten gegen die Skepsis der Generäle.

Bereits unter Bill Clinton, als Rice die Afrika-Abteilung des Außenamts leitete, hatte sie humanitären Interventionen das Wort geredet. Es ging zurück auf ein Schlüsselerlebnis, 1994 in Ruanda, wo Hunderttausende ermordet wurden. In einer Kirche blickte sie auf verwesende Körper, Leichen, die zerhackt worden waren. "Es war das Schrecklichste, was ich je gesehen habe", sagte Rice. "Es macht dich verrückt. Es gibt dir Entschlossenheit."

(RP/gre)
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