Persönlich Thomas de Maizière . . . hält Migranten eine Standpauke

Ein Jahr vor der Bundestagswahl und 33 Jahre nach seinem Einstieg in die Politik als Redenschreiber Richard von Weizsäckers würde man es Innenminister Thomas de Maizière (62) vermutlich kaum verübeln, wenn man ihn nach so vielen Jahren immenser Kraftanstrengung vor allem als Verwalter wahrnähme. Die Jahre als Kanzleramts- und Verteidigungsminister sind nicht spurlos an ihm vorbei gegangen, und in Zeiten der Terrorbedrohung muss ein Innenminister damit leben, von einer Sekunde zur anderen mit unfassbaren Herausforderungen konfrontiert zu sein. Da könnte er es bei einem Kongress von Praktikern der Integration bei einem Grußwort belassen. Doch der CDU-Politiker wählte die große Rede, blätterte tiefschürfende Gedanken über die Integration und die Gesellschaft in einem Maße auf, dass sich einer wie der SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi staunend aufgerüttelt fühlte.

Klare Kante kam von de Maizière zu dem, was die Deutschen bei Flüchtlingen nicht dulden dürften. "Wenn ein Mann von einer Frau kein Essen annehmen möchte, dann bekommt er eben kein Essen." Kinderehen, die Verbindung von Ehre und Gewalt, das seien "Ausprägungen anderer Kulturen", die Deutschland nicht tolerieren dürfe. Die Flüchtlinge müssten Neugierde, Realismus und Geduld mitbringen. Es sei "nicht zu viel verlangt", mal ein paar Monate auf einen Kursplatz zu warten.

Gleichzeitig stellte er in Frage, ob Arbeit, Sprache und Gesetzestreue allein schon gelungene Integration darstellten. Dazu gehöre doch auch, sich für die Gesellschaft verantwortlich und ihr zugehörig zu fühlen ("nennen Sie es Leitkultur"). Das säkulare Deutschland habe dabei die Bedeutung der Religion unterschätzt, brauche Antworten für die neue Konfliktlinie zwischen nationalen und europäischen Ansätzen, die das alte Links-Rechts-Schema verdränge. Eine Fülle von Denkanstößen von einem, der erkennbar mehr will.

(RP)
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