Essen Thomas Middelhoff kommt frei

Essen · Der schlechte Gesundheitszustand des Ex-Arcandor-Chefs ist offenbar der Grund, warum er vorläufig in die Freiheit entlassen wird. Das Gericht will aber Auflagen machen. Eine Fußfessel gibt es nicht.

Managerabstürze: Middelhoff, Homm, Zumwinkel
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Der frühere Arcandor-Chef Thomas Middelhoff hat gute Chancen, nach mehr als fünf Monaten Untersuchungshaft wegen schlechten Gesundheitszustands in die Freiheit entlassen zu werden. Das Landgericht Essen setzte gestern den Haftbefehl gegen den 61-Jährigen außer Vollzug, wie das Gericht mitteilte. "Die Strafkammer hat Auflagen erteilt, die Herr Dr. Middelhoff vor einer Haftentlassung erfüllen muss", erklärte das Gericht weiter.

Das Landgericht will noch nicht bekanntgeben, welche Auflagen Middelhoff erfüllen muss, doch das meiste steht fest: So muss Middelhoff alle Reisepapiere wie Pass und Personalausweis abgeben, um eine Flucht zu erschweren. Er wird sich regelmäßig bei der Polizei melden müssen. Die Familie muss hohe Sicherheitsleistungen für den Vater von fünf erwachsenen Kindern zahlen. Dagegen ist ausgeschlossen, dass Middelhoff eine elektronische Fußfessel tragen muss, weil dies die Strafprozessordnung nicht vorsieht.

Der frühere Chef des inzwischen pleite gegangenen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor war am 14. November vom Essener Landgericht wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt und noch im Gerichtssaal verhaftet worden. Der Bundesgerichtshof wird wohl erst in Monaten über seine Revision entscheiden. Middelhoff sah sich stets als unschuldig.

Hintergrund der Haftentlassung ist offenbar Middelhoffs Autoimmunerkrankung. Deshalb hatte die Verteidigung erneut eine Haftprüfung beantragt. Middelhoff sei in der Untersuchungshaft wegen angeblicher Suizidgefahr über Wochen einem Schlafentzug ausgesetzt gewesen, der sein Immunsystem geschwächt habe, sagen seine Anwälte. Der Manager ist derzeit zur Behandlung in einer Essener Klinik.

Mehrere Versuche von Middelhoffs Rechtsanwälten, ihn auf freien Fuß zu bekommen, waren zuvor gescheitert. Die Richter am Landgericht Essen und am Oberlandesgericht Hamm sahen Fluchtgefahr. Selbst als enge Freunde und Familienmitglieder eine Kaution von fast 900 000 Euro anboten, blieben die Richter hart.

Für die morgige Sitzung des Rechtsausschusses hat NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) einen Bericht zu den Haftbedingungen Middelhoffs vorbereitet. Darin wird der Leitung der Justizvollzugsanstalt Essen korrektes Verhalten bescheinigt. Sie war wegen der zeitweiligen Total-Überwachung Middelhoffs in die Kritik geraten. Dessen Anwälte hatten davon gesprochen, dass in NRW-Gefängnissen Zustände wie im US-Lager Guantánamo herrschten.

Middelhoff war nach seiner Inhaftierung 26 Tage lang "engmaschig betreut" worden, wie es in Justizkreisen heißt. Wegen Suizidgefahr sei sein Zustand Tag und Nacht alle 15 Minuten kontrolliert worden. Dazu öffnete der Vollzugsbeamte die Klappe an der Zellentür. Middelhoff selbst, so heißt es weiter, habe auf seine Gefährdung aufmerksam gemacht und auf den Suizid seines Bruders vor Jahren verwiesen. Eine Psychologin habe ihn eingehend untersucht und sei auch zu der Einschätzung gelangt, dass Suizidgefahr bestehe. Middelhoff sei angeboten worden, in eine Gemeinschaftszelle überzuwechseln. Er habe das abgelehnt und in seiner Einzelzelle bleiben wollen. Nach Angaben des Ministeriums werden in NRW jeden Tag mehr als 100 Häftlinge kontrolliert, bei denen die Gefahr der Selbsttötung bestehe.

(RP)
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