Idomeni Tränen am Tor zum Paradies

Idomeni · Die Lage in der griechisch-mazedonischen Grenzstadt Idomeni ist chaotisch. Flüchtlinge werden mit Tränengas am Übertritt gehindert.

Idomeni: Tränen am Tor zum Paradies
Foto: dpa

Es sind Bilder, die verstören: Frauen, die ohnmächtig zu Boden sinken; Kinder, die weinend durch dichte Gaswolken über die Gleise einer Eisenbahnstrecke irren. So sah es gestern Mittag bei Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze aus, nachdem mazedonische Grenzsoldaten Tränengasgranaten unter die Flüchtlinge auf der griechischen Seite der Grenze abgefeuert hatten.

Idomeni, der Name der kleinen Grenzstadt, ist allen Flüchtlingen geläufig. Idomeni ist für sie wie das Tor zum Paradies. Aber seit mehreren Tagen ist dieses Tor geschlossen, gesichert mit Stahlzäunen und messerscharfem Stacheldraht. Rund 8000 Flüchtlinge und Migranten warten an der Grenze, darunter viele allein reisende Männer und Jugendliche, aber auch viele Familien mit Alten und kleinen Kindern.

Nur für wenige öffnet sich das Stahlgittertor stundenweise: Jeweils rund 300 Menschen ließ Mazedonien am Samstag und am Sonntag ein. In der Nacht zu gestern durften erneut etwa 200 passieren. Die Kontrollen sind eingehend und langwierig. Durchgelassen werden nur syrische und irakische Kriegsflüchtlinge, die gültige Pässe vorweisen können. Alle anderen werden abgewiesen. Um vier Uhr früh gestern Morgen wurde die Grenze wieder vollständig geschlossen.

Einige Stunden später, am Vormittag, brachen sich dann Wut und Verzweiflung Bahn. Mit Stangen und ausgerissenen Zaunpfählen, die sie als Rammböcke einsetzten, gelang es einer Gruppe junger Männer, das Grenztor aufzubrechen. Auslöser für den Ansturm war offenbar ein unter den Flüchtlingen zirkulierendes Gerücht, wonach die Grenze wieder geöffnet sei. Mazedonische Sicherheitskräfte, die in großer Zahl auf der anderen Seite des Zauns aufmarschiert waren, feuerten daraufhin mehrere Tränengasgranaten mitten unter die Flüchtlinge auf der griechischen Seite, unter denen sich auch viele Familien befanden. Die griechische Polizei hielt sich zurück, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Im Laufschritt flohen die Menschen vor den Tränengasschwaden, viele stürzten, ließen ihre Halbseligkeiten zurück. Eltern versuchten, mit Wasserflaschen ihren vor Schmerz schreienden Kindern die Augen auszuwaschen. 15 Personen, unter ihnen neun Kinder, mussten mit akuten Atembeschwerden ärztlich behandelt werden.

Nicht nur die Lage an der griechisch-mazedonischen Grenze verschlimmert sich immer mehr. Während die Grenze praktisch dicht und damit den Flüchtlingen die Möglichkeit zur Weiterreise nach Norden genommen ist, strömen immer weitere Schutzsuchende ins Land. Am Sonntag kamen nach inoffiziellen Angaben etwa 3000 Menschen aus der Türkei auf die Ägäis-Inseln. Griechenland ist mit der ständig wachsenden Zahl von Neuankömmlingen völlig überfordert. Die vorhandenen Notunterkünfte sind überfüllt. Die Behörden bemühen sich, weitere Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen, so in einem Park in Athen, wo gestern mit Baumaschinen der Armee eine Fläche planiert wurde, um Zelte aufstellen zu können.

Hunderte Flüchtlinge, darunter Großfamilien vom Greis bis zum Säugling, kampierten gestern in Athen auf der Platia Viktorias, dem Viktoriaplatz im Stadtzentrum, und auf dem Marsfeld, einem großen Park unweit des Nationalmuseums. Anwohner versuchten, die obdachlosen Menschen mit Decken, Essen und Getränken zu versorgen. Ärzte und Sanitäter von Hilfsorganisationen kümmerten sich um Kranke und Verletzte. Die Behörden stellten Busse bereit, um die Menschen in Notunterkünfte zu bringen. Aber die meisten Flüchtlinge zögern. Sie fürchten, dann ihre Reise nicht fortsetzen zu können, und machen sich deshalb auf eigene Faust auf den Weg nach Norden, manche sogar zu Fuß. Aktuell sitzen bereits etwa 25.000 Flüchtlinge und Migranten in Griechenland fest. Die griechische Regierung rechnet damit, dass diese Zahl im Laufe des Monats März auf 70.000 Menschen steigen wird.

Die EU-Kommission bereitet Notfallpläne für Griechenland und andere Länder auf der Balkanroute vor. Zu den geplanten Schritten gehörten die Verstärkung von Aufnahmekapazitäten oder die Kontrolle von Grenzen, sagte eine Sprecherin der Behörde gestern in Brüssel.

(RP)
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