Washington Trump-Lager uneinig über Syrien-Politik

Washington · Die UN-Botschafterin Haley fordert einen Regimewechsel in Damaskus, US-Außenminister Tillerson will zuerst den IS auslöschen.

Beginnt der US-Präsident einen Krieg, üben die beiden großen Parteien Amerikas zumeist den Schulterschluss. Zumindest im ersten Moment funktionieren die eingespielten Reflexe. Abgesehen davon, dass im Augenblick niemand genau weiß, ob Donald Trump in Syrien einen eigenen Krieg begann oder nur eben mal seine Macht demonstrierte, um sich als Nächstes dem Krisenherd Nordkorea zuzuwenden: Nach dem nächtlichen Angriff auf die Luftwaffenbasis Al-Shayrat war der patriotische Schulterschluss zwischen Demokraten und Republikanern nur von kurzer Dauer. Es dauerte nicht lange, bis heftige Kritik laut wurde. Im Kern geht es um die Frage: Welche Strategie verfolgt das Oval Office?

Sehe man den Raketenschlag nur für sich, als Antwort auf eine barbarische Giftgasattacke, sei dagegen nicht viel einzuwenden, schrieb der Senator Chris Murphy, ein Demokrat aus Connecticut, in einem Essay. Nur könne eine Militäraktion eben nie isoliert gesehen werden, ohne zu fragen, was ihr voranging und was danach kommen soll. Betrachte man sie im Kontext der bisherigen Nahostpolitik des Weißen Hauses, falle die Scheinheiligkeit auf, mit der sie begründet wurde, schrieb der Politiker. Trump behaupte, er habe den Angriffsbefehl gegeben, weil ihn die Bilder toter Kinder bewegten. "Begreift unser Präsident nicht, dass es dieselben Kinder sind, denen er zweimal die Einreise in unser Land zu verbieten versuchte?", fragt Murphy unter Anspielung auf das zweimal vor Gericht gescheiterte Einreiseverbot für Bürger aus sechs muslimisch geprägten Staaten. Indem Trump das Ziel verfolge, überhaupt keine Flüchtlinge aus Syrien mehr aufzunehmen, verurteile er eine viel größere Zahl an Kindern zum Tode, als vergangene Woche in Chan Scheichun ums Leben gekommen seien.

Es ist nicht so, dass Murphy damit so etwas wie die Stimme der Demokraten wäre. Viele auf den Oppositionsbänken folgen eher Chuck Schumer, dem Fraktionschef der Partei im Senat, der Trump bescheinigte, das Richtige getan zu haben. Hillary Clinton sieht es ähnlich, auch wenn sie betonte, dass der Angriff auf die syrische Luftwaffenbasis schnellstens um eine breiter angelegte Strategie zur Beendigung des Bürgerkriegs ergänzt werden müsse. Tim Kaine, 2016 an Clintons Seite Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, stellte Verfassungsfragen heraus, ohne die Cruise-Missile-Attacke an sich abzulehnen. Nur für den Fall, dass den Vereinigten Staaten akute Gefahr drohe, gegen die der Staatschef das Land verteidigen müsse, könne Letzterer ohne grünes Licht des Parlaments zu militärischen Mitteln greifen, sagte Kaine. Von Syrien aber sei keine akute Gefahr für die USA ausgegangen: "Es ist der Kongress, nicht der Präsident, der Kriege erklärt".

Was kommt danach? Die Frage, die schnell in den Mittelpunkt der Debatte rückte, beantwortet die Administration einstweilen mit verwirrender Kakophonie. Nikki Haley, die UN-Botschafterin, die sich zusehends als Sprachrohr republikanischer Hardliner profiliert, spricht neuerdings auffallend oft von einem Regimewechsel in Damaskus, obwohl sie genau das vor ein paar Tagen noch so gut wie ausgeschlossen hatte. Solange Baschar al Assad an der Macht sei, sei eine politische Lösung nicht möglich, sagte sie in einem CNN-Interview. Außenminister Rex Tillerson, parallel zu Haley in einer zweiten Talkshow, betonte seinerseits, dass der Kampf gegen den "Islamischen Staat" nach wie vor an erster Stelle stehe, nicht der Sturz des Autokraten.

Folgt man Tillerson, war der Schlag gegen Assad eher als Warnschuss gedacht. Erst wenn die vom IS ausgehende Gefahr reduziert sei, so Tillerson, könne man sich der Stabilisierung der Lage in Syrien widmen. Allerdings hat Trumps Chefdiplomat unmittelbar vor dem Angriff auf das Flugfeld Al-Shayrat auch schon härtere Töne angeschlagen: Assad dürfe in der Regierung keine Rolle mehr spielen.

So etwas wie ein Konzept lässt kaum erkennen. Robert Ford, ein früherer US-Botschafter in Damaskus, glaubt jedenfalls nicht, dass Trump plötzlich mit Hochdruck auf die Entmachtung des syrischen Diktators hinarbeitet. Vielmehr fühlt er sich an den Irak Mitte bis Ende der 1990er Jahre erinnert: Bill Clinton, seinerzeit im Oval Office, habe ab und an Cruise Missiles abfeuern lassen, ohne dass es Saddam Hussein groß beeindruckt hätte. "Saddam hat sich zu keinem Zeitpunkt geändert." In Syrien flogen offenbar Kampfflugzeuge des Assad-Regimes neue Angriffe auf Chan Scheichun. Beim Militärschlag Trumps wurden nach US-Angaben 20 syrische Jets zerstört. Die Syrer sprechen von zwölf Flugzeugen.

(RP)
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