Washington Trumps Billionen-Versprechen

Washington · Der US-Präsident will 1,5 Billionen Dollar in die Infrastruktur pumpen.

Um einen Eindruck von der Misere der amerikanischen Infrastruktur zu bekommen, braucht man nur einmal mit der Bahn von Washington nach New York zu fahren. In Höhe der Hafenstadt Baltimore geht es durch einen engen Tunnel, der 1873, im Jahr seiner Einweihung, der letzte Schrei der Technik gewesen sein muss, seither aber nur unwesentlich modernisiert wurde. Damit die Züge auf dem kurvenreichen, zweieinhalb Kilometer langen Streckenabschnitt nicht aus den Gleisen springen, hat man die Höchstgeschwindigkeit auf 48 Stundenkilometer begrenzt. Was den Baltimore & Potomac Tunnel zum sprichwörtlichen Nadelöhr werden lässt, und das auf der meistbefahrenen Eisenbahnlinie des Landes, im Ostküstenkorridor zwischen der Hauptstadt der Politik und der des Geldes. An Plänen, das Relikt aus dem 19. Jahrhundert entweder auszubauen oder durch eine neue, geradlinigere Röhre zu ersetzen, mangelt es nicht. Woran es bislang mangelte, ist der Wille zu einem Kraftakt.

Einen solchen Klimmzug hat Donald Trump in Aussicht gestellt, als er gestern eine Blaupause präsentierte, die marode Straßen, Brücken, Tunnel, Bahnlinien, Stromnetze, Flughäfen, Dämme und Schleusen auf den Stand des 21. Jahrhunderts bringen soll. Nach Trumps Skizze sollen im Laufe der nächsten Dekade rund 1,5 Billionen Dollar in Projekte zur Modernisierung der vielerorts maroden Infrastruktur fließen. Allerdings will der Bund in Washington nur knapp ein Siebtel der Summe aufbringen. Den Rest sollen Bundesstaaten und Kommunen selber beisteuern oder aber der Privatsektor springt ein.

Dass Investitionen in großem Stil nötig sind, um im internationalen Vergleich nicht den Anschluss zu verlieren, darin herrscht quer durch die politischen Lager weitgehend Einigkeit. Die American Society of Civil Engineers, ein Verband von Ingenieuren, stellt der Infrastruktur ein ernüchterndes Zeugnis aus: Müsste man Zensuren verteilen, wäre es eine Vier plus. Jede elfte Brücke gilt als dringend sanierungsbedürftig, in absoluten Zahlen handelt es sich um mehr als 54.000 Brückenbauwerke. Tobt über Florida, Louisiana oder Texas ein Hurrikan, fällt tagelang der Strom aus, weil morsche Holzmasten umstürzen und die Leitungen reißen. Deiche werden überspült, das Trinkwasser ist wegen veralteter Leitungen vielerorts mit Schadstoffen belastet. Bis 2025, hat der Ingenieursverband errechnet, müsste man 4,6 Billionen Dollar ausgeben, um den Investitionsstau aufzulösen.

So gesehen ist Trumps Paket nur ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal sich der Fiskus große Sprünge nicht leisten kann. Eine Kombination aus geringeren Einnahmen, einer wahrscheinlichen Folge der im Dezember verabschiedeten Steuergesetze, und höheren Ausgaben, erst vor wenigen Tagen von Demokraten und Republikanern für die nächsten zwei Jahre vereinbart, könnte das jährliche Budgetdefizit bis 2019 auf eine Billion Dollar ansteigen lassen. Die Folge klammer Kassen, orakeln die Demokraten, wäre de facto eine forcierte Privatisierung: mehr Mautstraßen, mehr Mautbrücken, deutlich höhere Gebühren.

(RP)
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