San Francisco Trumps liebster Deutscher

San Francisco · Der Paypal-Gründer Peter Thiel hat im US-Wahlkampf als einer der wenigen Entscheider des Silicon Valleys den Republikaner unterstützt. Jetzt soll er Trump beraten.

Es wirkt wie ein von langer Hand vorbereiteter Racheakt, was der Technologie-Milliardär und Donald-Trump-Unterstützer Peter Thiel im Frühjahr veranstaltete: Ein US-Gericht verurteilte die Klatsch-Website "Gawker" zur Zahlung von 140 Millionen Dollar (rund 130 Millionen Euro) an den Ex-Wrestler Hulk Hogan. Das Portal hatte Auszüge eines Videos ins Netz gestellt, die den blonden Hünen beim Sex mit der Frau eines Radiomoderators zeigten. Obwohl der gebürtige Deutsche Thiel gar nicht betroffen war, entpuppte er sich mit einem Beitrag von zehn Millionen Dollar als Hauptfinanzierer der Klage. Das Portal, das kurz darauf Insolvenz anmeldete, hatte 2007 seine Homosexualität öffentlich gemacht. Thiel erklärte, dass es sich bei der Unterstützung von Hogans Klage um einen Akt der Philanthropie gehandelt habe, schließlich betreibe "Gawker" keinen Journalismus, sondern Mobbing.

Der rhetorisch gewiefte Thiel neigt zur Provokation. Auf seiner Website spottet er: "Wir wollten fliegende Autos, was wir bekamen, waren 140 Zeichen" - eine Anspielung auf Sinn und Unsinn des Kurznachrichtendienstes Twitter. Denn Thiel ist der Überzeugung, dass die Fortschritte in der Computertechnologie und bei Kommunikationsmitteln den mangelnden Fortschritt im Energiesektor, Transportwesen, der Biotechnologie, der Medizin oder Erforschung des Weltraums kaschieren. Entsprechend investiert er heute überwiegend in Start-ups, die für "echte Erfindungen" stehen - also nicht für Websites oder soziale Netzwerke.

Seine Eigenwilligkeit und sein Biss erklären sich auch aus seiner Biografie: Er ist gerade einmal ein Jahr alt, als die Familie von Frankfurt in die USA auswandert. Wegen der Ingenieurs-Tätigkeit des Vaters muss der Junge siebenmal die Grundschule wechseln, ehe die Familie im Großraum San Francisco sesshaft wird. Thiel ist hochbegabt, belegt im Alter von zwölf Jahren Rang sieben der US-Schach-Rangliste in seiner Altersklasse. Mathematik liegt dem Jungen, der später an der Elite-Universität Stanford Jura studiert.

Nach einer kurzen Episode als Anwalt in New York, die Thiel heute als "die unglücklichste Zeit meines gesamten Lebens" bezeichnet, macht er sich 1996 mit einem kleinen Fonds im Silicon Valley selbstständig. Mit dem Startkapital von einer Million Dollar beginnt er, in Start-ups zu investieren, gründet aber auch selbst. Sein erster großer Coup wird der Zahlungsdienstleister Paypal, der später für 1,5 Milliarden Dollar von Ebay gekauft wird. Aus dieser Zeit stammen Thiels hervorragende Kontakte in die Szene. Zur "Paypal Mafia" gehören unter anderem Tesla-Gründer Elon Musk und die Youtube-Erfinder Steve Chen, Chad Hurley und Jawed Karim. Der zweite Coup gelingt ihm mit Facebook, da ist er der erste Investor von Rang, der einem Studienabbrecher aus Harvard, einem gewissen Mark Zuckerberg, Geld leiht. Eine halbe Million Dollar, mit der er sich sieben Prozent der Facebook-Anteile sichert.

Dass ausgerechnet im liberal denkenden Valley mit Thiel einer der glühendsten Trump-Anhänger verortet ist, verwundert nur auf den ersten Blick. Radikale Brüche hatte er bereits in seinem Buch "Zero to One" propagiert. Wann immer etwas Einmaliges entstehe, bewege man sich von null zu eins, so Thiels Idee. Es ist, auf 195 Seiten, ein Bürsten gegen den Strich, gegen das Dogma, der Kapitalismus lebe vom harten Wettbewerb. "Wettbewerb bedeutet Gewinn für keinen, dafür einen ständigen Kampf ums Überleben", spitzt es der Hightech-Investor zu. Ein Internetunternehmen wie Google dagegen beherrsche seine Branche so deutlich, dass es über den Tellerrand des Gewinns hinausdenken, sich intensiver um seine Produkte kümmern könne. Kreative Monopolisten machten die Gesellschaft besser.

Die könnte Thiel nun an entscheidender Stelle mitgestalten: Der siegreiche Trump berief ihn in sein Übergangsteam. Bis Januar soll es die Regierungsmannschaft zusammenstellen. Thiel selbst will nach eigenen Angaben nicht nach Washington umziehen. Ihn eint mit dem kommenden Präsidenten die negative Beurteilung der wirtschaftlichen Situation der US-Gesellschaft. Zudem ist Thiel dafür bekannt, scheinbar aussichtslose Wetten einzugehen. Und als drittes Motiv unterstützt Thiel den von Trump befürworteten Rückzug aus einer Reihe an Kriegen in Übersee - die USA sollten ihre Kräfte auf die Stärkung der eigenen Wirtschaft konzentrieren. Dabei sind Thiels Positionen so widersprüchlich wie die von Trump. Er tritt als Libertärer für die weitgehende Freiheit des Bürgers in jeder Hinsicht ein. Trump ist als zweimal geschiedener Ehemann und früherer Playboy zwar persönlich auch kein typisch wertkonservativer Republikaner, hat aber den Konservativen versprochen, freie Posten im Verfassungsgericht nur mit extrem konservativen Richtern zu besetzen. Das könnte die Männerfreundschaft auf eine harte Probe stellen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort