Interview mit Volker Kauder "Türkei muss Benachteiligung der Christen stoppen"

Der Unionsfraktionschef Volker Kauder über den bedenklichen Zustand der Religionsfreiheit in der Welt, die Berührungsängste islamischer Organisationen und sein Werben um mehr Muslime in seiner christlich-demokratischen Partei.

Ostern ist ein christliches Fest - aber wie viele Christen können es feiern?

Kauder Die große Mehrheit kann sicher ohne Gefahren das Osterfest begehen. Aber es gibt auch Millionen Christen, die es nicht oder nur unter Angst feiern können. Besonders dramatisch ist die Situation in Nordkorea. Aber es gibt auch eine ganze Reihe anderer Länder, in denen Christen schwer leiden müssen - etwa im Irak, in Afghanistan, Pakistan, Syrien und leider zunehmend auch in Afrika.

Kann Deutschland mit Aufnahmeprogrammen helfen?

Kauder Das ist ein ganz schwieriges Thema. Wir machen Angebote - gerade auch mit Blick auf verfolgte Christen in Syrien. Andererseits erreichen uns dringende Bitten von dort, die Christen nicht "abzuwerben", weil es sonst dort zu "christenfreien Zonen" kommt - gerade in Gebieten, die urchristlich waren.

Was ist Ihr Rat?

Kauder Wir müssen sicher Menschen helfen, die aus ihrer Heimat geflohen und völlig entwurzelt sind. Auf der anderen Seite muss alles getan werden, um vor Ort oder in den angrenzenden Regionen Hilfe zu gewähren.

Können Sie sich erklären, warum gerade Christen unter Verfolgungsdruck stehen?

Kauder Das Christentum ist eine universale Religion, die auf der ganzen Welt zu Hause ist. Christen bieten daher an vielen Orten eine Angriffsfläche für Staaten oder Fanatiker. Leider muss man sagen, dass die Christen vor allem dort erhebliche Probleme haben, wo der Islam Staatsreligion ist. Das hängt nicht zuletzt mit dem Konversionsverbot zusammen. Der Islam sieht den Wechsel in eine andere Religion als Sünde an. In einigen Ländern steht darauf die Todesstrafe. Stellen Sie sich vor: In einigen Regionen wollen sich muslimische Verbände mit mir nicht treffen, weil sie behaupten, dass das öffentliche Auftreten als Christ bereits einen Versuch darstelle, Muslime aus ihrem Glauben abzuwerben. Die allgemeine Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen schützt aber den Glaubenswechsel ausdrücklich. In vielen muslimisch geprägten Staaten steht dieses Recht jedoch nur auf dem Papier.

Sehen Sie Besserung? Oder nimmt die Verfolgung zu?

Kauder Wir haben dramatische Entwicklungen in einigen afrikanischen Ländern. Dort scheint sich insgesamt die Situation zu verschlechtern. Was übrigens christliche Milizen in Zentralafrika anrichten, ist ebenso abscheulich. Oder schauen wir auf den Mittleren Osten. Dort sind die Christen in manchen Regionen schon ganz vertrieben worden. Ja, in vielen Gegenden der Welt ist die Lage für Christen schlechter geworden. Auf der anderen Seite: China ist von den vorderen Plätzen des Weltverfolgungsindex auf Rang 37 gerutscht. Ich war in dieser Karwoche in China und muss anerkennen, dass sich einiges getan hat. Die Christen können dort ihre Gottesdienste feiern. Aber wirkliche Freiheit besteht erst, wenn sich die Religionen frei organisieren können. Der chinesische Staat will weiter die katholischen und evangelischen Bischöfe einsetzen und die Kirchen kontrollieren. Das ist für Christen nicht erträglich.

Wie steht es in der Türkei?

Kauder Die Türkei ist von der europäischen Wertegemeinschaft noch weit entfernt, solange sie sich weigert, Religionsfreiheit zu garantieren. Die Türkei war einst ein christlich geprägtes Land. Die Benachteiligung der Christen in der Türkei muss beendet werden. Die EU muss in diesem Punkt gegenüber Ankara noch deutlicher werden. So wie Muslime in Deutschland Moscheen errichten, müssen Christen in der Türkei ihre Kirchen bauen dürfen.

Sollte die deutsche Entwicklungshilfe mehr an das Ausmaß der Religionsfreiheit in den Empfängerländern geknüpft werden?

Kauder Entwicklungszusammenarbeit basiert auf einem Dialog. Dabei müssen Menschenrechte ganz intensiv angesprochen werden - und auch die Religionsfreiheit. Aber erst wenn sich zeigt, dass in diesem Punkt auf Dauer nichts passiert, kann man Entwicklungszusammenarbeit infrage stellen - und sollte dies dann auch tun.

Werben Sie um mehr Muslime in der christlich-demokratischen Partei?

Kauder Wir machen Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes. Das bedeutet, dass wir den Menschen als Ebenbild Gottes ansehen und seine Würde verteidigen müssen. Wer sich damit identifiziert, dass der Mensch zur Freiheit und nicht zur Gängelung berufen ist, kann selbstverständlich Mitglied der CDU werden, ganz unabhängig davon, welcher Religion er angehört. Muslime, die sich zu diesem christlichen Menschenbild bekennen, sind in der CDU herzlich willkommen. Ich denke, dass gerade in unserem Land viele Muslime nach diesem Menschenbild leben, ohne dies vielleicht schon hinterfragt zu haben.

GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

(may-, qua)
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