Istanbul Türkei verhängt Ausnahmezustand

Istanbul · Die Verhaftungs- und Entlassungswelle am Bosporus geht weiter.

Fünf Tage nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei hat Präsident Recep Tayyip Erdogan gestern Abend nach einer Sondersitzung des Nationalen Sicherheitsrates und des Kabinetts den Ausnahmezustand im Land verhängt. Er soll für drei Monate gelten. Gleichzeitig geht Erdogan weiter gegen mutmaßliche Verschwörer vor. Akademiker dürfen nicht mehr ausreisen. Gegen 99 der 360 Armee-Generäle wurde Anklage erhoben. 900 Polizisten wurden vom Dienst suspendiert, weil sie in Verbindung mit dem Netzwerk des Predigers Fethullah Gülen stehen sollen, der aus Sicht Erdogans hinter dem Aufstand steckt. Nach der Massenentlassung von 15.200 Lehrern im Staatsdienst und dem angedrohten Lizenzentzug für 21.000 Lehrer an Privatschulen kündigte das Bildungsministerium die Schließung von 626 Privatschulen und anderen Bildungseinrichtungen an.

Im Ausland wächst die Sorge, Erdogan wolle nicht nur Putschisten ausschalten, sondern jegliche Opposition. US-Präsident Barack Obama ermahnte nach Angaben aus Washington Erdogan in einem Telefonat, sich an die in der türkischen Verfassung festgehaltenen demokratischen Prinzipien zu halten.

Aus Behördenkreisen verlautete, das Ausreiseverbot für Wissenschaftler sei vorübergehend. Damit solle verhindert werden, dass Mitverschwörer an Universitäten ins Ausland fliehen könnten. Die Hochschulverwaltung hatte die Demission von 1577 Dekanen an allen Universitäten des Landes angeordnet.

In dem Telefonat mit Obama forderte Erdogan erneut die Auslieferung Gülens. Zwar habe die türkische Regierung der US-Regierung ein Dossier über Gülen zugesandt. Die USA warteten aber auf ein offizielles Auslieferungsgesuch. Nach US-Vorgaben muss die Türkei Beweise liefern, dass Gülen an dem Putschversuch beteiligt war.

(RP)
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