Vorwurf der GEW Türkische Generalkonsulate widersprechen Spitzelvorwürfen

Düsseldorf · Haben die türkischen Konsulate in NRW Lehrer, Eltern und Schüler zur Spitzelei aufgefordert? Das behauptet die Gewerkschaft GEW und verweist dafür auf Aussagen mutmaßlich Betroffener. Türkische Diplomaten widersprechen.

 Eine Schülerin an einer Schule in Recklinghausen löst eine Aufgabe (Symbolfoto).

Eine Schülerin an einer Schule in Recklinghausen löst eine Aufgabe (Symbolfoto).

Foto: dpa, mku beg gfh

Die Zahl der Abmeldungen an seiner Schule, die nach dem Putschversuch in der Türkei in die Höhe geschnellt war, hält sich mittlerweile wieder in Grenzen. Es sei wieder etwas Normalität eingekehrt, sagt Osman Esen, Sprecher und Geschäftsführer des privaten Dialog-Schulzentrums in Köln-Buchheim, das dem islamischen Prediger und Erdogan-Erzfeind Fethullah Gülen nahesteht.

Zwar gebe es immer noch vereinzelt Familien, die ihre Kinder aus Sorge um ihre Verwandtschaft in der Türkei nicht auf die Schule ließen, sagt er. "Aber es gibt wieder eine Reihe von Neuanmeldungen. Es leben schließlich viele Türken hier, die ihren Nachwuchs bewusst auf unsere Schule schicken, weil sie wissen, dass wir mit Erdogan nichts zu tun haben."

Gerade wegen der positiven Entwicklung an seiner Schule beobachtet Esen mit Sorge die angebliche Bespitzelungsaffäre an deutschen Schulen. Dass türkische Generalkonsulate in Nordrhein-Westfalen Lehrer und Eltern bei Veranstaltungen in den Konsulaten aufgefordert haben, den Unterricht zu observieren, hält Esen für nicht ausgeschlossen. "Bei uns ist das Thema aber aktuell nicht vorhanden. Das gibt es an unseren Schulen nicht", betont er.

Ähnlich wie Esen denkt Ercan Karakoyun. Er ist Vorsitzender der Gülen-nahen Stiftung "Dialog und Bildung" in Berlin. Von solch konkreten Veranstaltungen, wie Teilnehmer gegenüber der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) berichtet haben sollen, habe er bisher nichts gehört, "aber es passt in das Portfolio der Konsulate. Dort werden beispielsweise regelmäßig Imame eingeladen, die dann darüber berichten sollen, welche Personen in ihrem Umkreis etwa mit Gülen-Anhängern zu tun haben." Viele Erdogan-Kritiker würden dann auf schwarzen Listen landen, sagt Karakoyun: "Wollen sie die Türkei betreten, wird ihnen das entweder am Flughafen verwehrt, sie werden festgehalten oder im schlimmsten Fall verhaftet. Ich habe seit Sommer 2015 ein Einreiseverbot."

Der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, bezeichnete das Ausmaß der Spitzeleien durch das Erdogan-Regime als erschreckend. "Das soll unser Land spalten", sagte Beck. "Die Kanzlerin sollte überlegen, ob es nicht an der Zeit ist, den türkischen Botschafter einzubestellen. Die Koordinatoren dieser Aktivitäten an den Konsulaten und den Botschaften müssen unverzüglich ausgewiesen werden."

Doch wurden Lehrer, Eltern, Imame, gar Schüler in den Konsulaten tatsächlich zur Spitzelei aufgerufen? Der Fall ist undurchsichtig. Die GEW hat die Vorwürfe gegen die Konsulate aufgebracht. Im Detail geht es vor allem um eine Veranstaltung vom 22. Januar, zu der alle Konsulate in NRW - Düsseldorf, Köln, Münster und Essen - in ihre Räumlichkeiten geladen haben sollen. Diese habe offiziell unter dem Titel "Diskriminierung türkischer Schülerinnen und Schüler" gestanden.

Nach Veranstaltungsbeginn habe man dann jedoch die Tagesordnung geändert, berichteten Teilnehmer gegenüber der GEW. Statt über die Sorgen türkischer Schüler zu sprechen, habe man von den Anwesenden verlangt, eine Kommission zu gründen, die Kritik innerhalb deutscher Schulen am türkischen Präsidenten den Konsulaten melden soll. Vonseiten der GEW hieß es, die Informanten wollten sich aus Angst vor Repressalien nicht öffentlich zu erkennen geben.

Die beschuldigten Generalkonsulate zeigten sich verwundert. Mustafa Kemal Basa, Generalkonsul der türkischen Vertretung in Essen, sagte: "Am 22. Januar fand bei uns in Essen überhaupt keine Veranstaltung statt. Der Vorwurf ist schlichtweg nicht korrekt. Auch wurde bei anderen Veranstaltungen um dieses Datum herum nicht die Tagesordnung geändert, wie es geschildert wurde."

Im Düsseldorfer Konsulat soll es eine solche Zusammenkunft ebenfalls nicht gegeben haben. "Wir organisieren regelmäßig Treffen für türkische Eltern und Lehrer. In diesen geht es aber ausschließlich um Bildungsfragen. Der Vorwurf der GEW ist eine bewusste Entstellung der Arbeit der türkischen Konsulate", sagte die stellvertretende Generalkonsulin Nesrin Tuncay.

Der nordrhein-westfälischen Landesregierung sind die Vorwürfe der GEW bekannt. Die erste Information dazu habe am 15. Februar vorgelegen, hieß es aus dem Schulministerium. Die Polizei habe die Staatsanwaltschaft Düsseldorf darum gebeten, zu prüfen, ob Anlass zur Aufnahme von Ermittlungen bestehe. Nach Informationen unserer Redaktion liegen der Landesregierung aber bislang keine ausreichenden Hinweise vor, die den Verdacht der Gewerkschaft stützen.

(RP)
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