Kyrenia Türkisches "Friedenswasser" für Zypern
Kyrenia · Eine 80 Kilometer lange Pipeline, die die Wassernot der Insel lindern soll, steht vor der Vollendung.
Zwanzig Jahre war das Projekt in der Planung, jetzt ist es fast vollendet: Anfang August wurde das letzte Teilstück einer 80 Kilometer langen Pipeline eingefügt, die Trinkwasser von der türkischen Küste auf die von chronischer Dürre geplagte Insel Zypern bringen soll. Das umgerechnet 490 Millionen Euro teure Vorhaben trägt den Namen "Bari Suyu", Friedenswasser. Es könnte bei der Wiedervereinigung der seit 41 Jahren geteilten Insel helfen.
Die Pipeline verläuft vom Kap Anamur zu einem Punkt westlich der nordzyprischen Hafenstadt Kyrenia (Girne). Sie soll pro Jahr 75 Millionen Kubikmeter Trinkwasser auf die Insel bringen. Das Wasser stammt aus der Alaköprü-Talsperre am Dragon-Fluss beim Kap Anamur. In Zypern wird es in einen eigens gebauten Stausee bei der Ortschaft Gecitköy eingespeist. Rund die Hälfte des Wassers soll als Trinkwasser genutzt werden, die andere Hälfte zur Bewässerung von Feldern.
Damit könnte sich die landwirtschaftliche Produktion in Nordzypern verdoppeln. Zypern hat in den vergangenen Jahrzehnten immer häufigere und längere Dürreperioden erlebt. Immer wieder muss deshalb der Wasserverbrauch rationiert werden. Die Idee für den Bau einer Pipeline von der wasserreichen türkischen Küste nach Zypern hatte bereits 1995 der türkische Ingenieur, Unternehmer und Schriftsteller Üzeyir Garih. Er entwickelte erste Pläne. Aber erst 2012 wurde mit dem Bau begonnen.
Die lange Verzögerung hat vor allem mit den technischen Herausforderungen zu tun. Das Meer zwischen der türkischen Küste und Zypern ist bis zu 1400 Meter tief, tiefe Schluchten und schroffe Riffe durchziehen den Meeresboden. Eine Pipeline dort zu verlegen, wäre unmöglich gewesen. Also entschieden sich die Ingenieure für eine im Meer schwimmende Leitung. Die Plastikrohre, die einen Durchmesser von etwa 60 Zentimetern haben, sind in einem Abstand von 500 Metern mit Stahlseilen am Meeresboden verankert. So bekommt die Pipeline Stabilität, und es wird verhindert, dass sie zur Meeresoberfläche aufsteigt. Denn das Süßwasser in der Leitung ist leichter als das salzhaltige Meerwasser. Ursprünglich war geplant, die Leitung 130 Meter unter der Wasseroberfläche zu verankern. Man entschied sich dann aber für die größere Tiefe von 280 Metern, um Zusammenstöße mit U-Booten zu vermeiden.
Im griechischen Süden Zyperns löst das Projekt gemischte Reaktionen aus. Zypern ist geteilt, seit die Türkei im Sommer 1974 den Inselnorden besetzte. Ankara verhinderte damit eine Annektierung Zyperns durch die damals in Athen regierende Obristenjunta. Rund 80 Prozent der 1,1 Millionen Zyprer sind ethnische Griechen, die türkisch-zyprische Volksgruppe stellt etwa ein Fünftel der Bevölkerung.
Manche Inselgriechen fürchten, die Pipeline werde den Inselnorden noch enger an die Türkei binden. Andere sehen in dem Projekt eine Chance zur Aussöhnung. Bei einer Wiedervereinigung könnte das türkische Wasser auch den Zyperngriechen zugutekommen. Beide Volksgruppen verhandeln derzeit über die Bildung einer "Vereinigten Föderation Zypern".