Kiew Ukrainische Regierung tritt zurück

Kiew · Ministerpräsident Jazenjuk macht den Weg für Neuwahlen in einem Monat frei. Ob diese durchgeführt werden können, ist angesichts der Kämpfe im Osten des Landes allerdings fraglich.

Mitten in der schwersten Krise des Landes hat die Regierung der Ukraine ihren Rücktritt erklärt. Der prowestliche Ministerpräsident Arseni Jazenjuk (40) machte damit den Weg für Neuwahlen des Parlaments frei. Als möglicher Termin wurde der 26. Oktober genannt. Das Land steht vor tiefgreifenden Reformen. Allerdings ist wegen der seit Monaten dauernden Kämpfe gegen prorussische Separatisten im Osten unsicher, ob die Wahl überall abgehalten werden kann.

Jazenjuk wies in seiner Erklärung auf die verzweifelte Lage der Ukraine hin. Im Parlament waren zuvor mehrere Wirtschaftsgesetze gescheitert - auch eines, das die Beteiligung ausländischer Investoren am maroden Gastransportsystem der Ukraine ermöglicht hätte. Damit sollte die Abhängigkeit des Transitlandes von Russland verringert werden.

Die Kräfte um den prowestlichen Präsidenten Petro Poroschenko sind mehrheitlich für Neuwahlen. Wenn sich 30 Tage nach dem Regierungsrücktritt keine neue Koalition findet, kann Poroschenko das Parlament auflösen. Jazenjuk sagte, er werde kein Bündnis mit den Kommunisten oder mit der Partei der Regionen eingehen, der einstigen Machtbasis des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch.

Unterdessen erhöhte die EU den Druck auf Russland und prorussische Ukrainer. Die EU-Botschafter verständigten sich in Brüssel darauf, Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen weitere 15 Personen zu verhängen. Die Zahl der von diesen Maßnahmen Betroffenen erhöhe sich dadurch auf 87, sagten Diplomaten. Erstmals wurden auch 18 Organisationen und Unternehmen auf eine schwarze Liste der Europäischen Union gesetzt. Sie dürfen in der EU keine Geschäfte mehr machen. Über andere Verschärfungen der Sanktionen soll erst später entschieden werden.

Die Niederlande forderten für das Krisengebiet eine internationale Polizeitruppe zum Schutz von Ermittlern an der Absturzstelle von Flug MH 17. Es gehe darum, Klarheit über die Ursache zu erlangen sowie die Täter zu verfolgen und zu bestrafen, erklärte die Regierung in Den Haag. Militärtransporter aus den Niederlanden und Australien brachten am Nachmittag weitere 74 Särge aus der ukrainischen Stadt Charkow nach Eindhoven.

Malaysischen Ermittler, die das Wrack gestern in Augenschein nahmen, gehen nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) von einem Raketentreffer als Ursache für die Katastrophe aus. Dafür sprächen stark durchlöcherte Wrackteile. "Es geht um drei Teile der Außenhaut. Auch die Malaysier gehen davon aus, dass es Metallsplitter, Schrapnelle einer Rakete waren", sagte Michael Bociurkiw von der Beobachtermission. Das ZDF zeigte Aufnahmen eines an der Absturzstelle gefundenen Wrackteils. Das stark durchlöcherte Trümmerstück sei auch eine Woche nach der Katastrophe noch immer nicht sichergestellt worden.

Bei dem mutmaßlichen Abschuss der malaysischen Boeing 777-200 waren vor einer Woche 298 Menschen getötet worden. 193 von ihnen stammten aus den Niederlanden. Ukrainische Truppen und prorussische Separatisten lieferten sich weiter schwere Gefechte in der Region.

Der niederländische Außenminister Frans Timmermans und seine australische Kollegin Julie Bishop trafen gestern in Kiew ein, um das weitere Vorgehen zu beraten. Die Niederlande und Australien bereiten nach Medienberichten eine Resolution für den UN-Sicherheitsrat vor, um den Einsatz einer bewaffneten Einheit in dem Katastrophengebiet zu ermöglichen.

(RP)
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