Umstrittenes Effizienzteam

Die Suche nach Einsparmöglichkeiten im NRW-Etat erweist sich als derart aufwendig, dass sich Rot-Grün jetzt Unterstützung von außen holen will. Die Opposition hält das alles für unnötig.

Düsseldorf Das Land sucht dringend Spezialisten. Genauer: Die rot-grüne Koalition will vier hochqualifizierte Mitarbeiter einstellen, die bereits ab Ende Oktober für zwei Jahre als Vollzeitkräfte im NRW-Finanzministerium tätig sein werden. Ihre Aufgabe: Sie sollen zusammen mit sechs Mitarbeitern des Ministeriums das bestehende politische "Effizienzteam" unterstützen, das nach dauerhaften Einsparungen bei den Landesausgaben forscht.

Laut Ausschreibungstext, der unserer Zeitung vorliegt, sollen die externen Kräfte unter anderem die Sitzungen des Effizienzteams vor- und nachbereiten, sollen mitwirken bei der Erarbeitung einzelner Sparmaßnahmen und der Berechnung der finanziellen Auswirkungen; außerdem werden sie zuständig sein für die Koordinierung von weiteren Beratern, die etwa mit der Erstellung von Analysen beauftragt werden.

Das klingt zwar eher spröde, doch die Wellen schlugen hoch, als bekannt wurde, dass Rot-Grün für diese vier Mitarbeiter insgesamt eine Million Euro zur Verfügung stellen will. Offiziell wurde diese Zahl allerdings niemals bestätigt – wohl deshalb nicht, um nicht schon im Vorfeld die Preise hochzutreiben. In der Ausschreibung heißt es lediglich: "Die Vergütung für die Dienstleistungen erfolgt nach Vereinbarung."

Dennoch zeigt sich die Opposition empört: "Statt teures Geld in ein Effizienzteam zu investieren, sollte das Landeskabinett lieber konkret selbst sagen, wo gespart werden kann", so der CDU-Haushaltssprecher Marcus Optendrenk.

Mit den Sparvorschlägen ist das jedoch so eine Sache. Kaum sind sie in die Öffentlichkeit gelangt, folgt ein Sturm der Entrüstung – auch aus dem betroffenen Ministerium. Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen, der wie sein SPD-Kollege Norbert Römer dem Effizienzteam angehört, bekam das zu spüren, als er im Landtagswahlkampf in unserer Zeitung preisgab, dass die Verwaltungsstrukturen der Polizei gestrafft und auf diese Weise rund 2000 Stellen eingespart werden könnten. Die Polizeigewerkschaften reagierten empört, und auch der Koalitionspartner SPD ging auf Distanz: "Mit uns nicht zu machen", beharrte Innenminister Ralf Jäger

Doch das Land muss sparen, um die ab 2020 geltende Schuldenbremse einhalten zu können. Bis zur nächsten Landtagswahl 2017 will Rot-Grün eine Milliarde Euro strukturell, also dauerhaft einsparen. Der Opposition ist das zu wenig. Auch der Bund der Steuerzahler NRW hält das für "nicht gerade viel" angesichts eines Haushaltsdefizits in diesem Jahr von 4,6 Milliarden Euro und einem Haushaltsvolumen von fast 59 Milliarden Euro. Rot-Grün spricht dagegen von einer großen Kraftanstrengung. Wo genau gespart werden soll, ist aber völlig offen.

Genau hier setzt die Arbeit des Effizienzteams an, das bereits im März 2011 eingerichtet wurde und von Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) geleitet wird. Dem ehrenamtlich tätigen Gremium gehörte zunächst auch Ex-Staatssekretär Manfred Morgenstern an, der aber ausgeschieden ist. Dass die Beratergesellschaft Ernst & Young, für die Morgenstern tätig ist, vom Land den Auftrag erhalten hat, ein Jahr lang das "Gesamtprojektmanagement" für das Effizienzteam zu übernehmen, hat für die Union "ein Geschmäckle"; und auch die FDP spricht von möglicher "Verquickung". Walter-Borjans weist die Vorwürfe entschieden zurück. Der Opposition gehe es doch nur um Skandalisierung, behauptet er.

Eigentlich hatte das Effizienzteam schon im Frühjahr konkrete Sparvorschläge präsentieren wollen, doch infolge der Landtagsauflösung geriet die Arbeit ins Stocken. Zwischenzeitlich legte das Beratungsunternehmen PwC im Auftrag der Landesregierung ein Spar-Gutachten vor, das von Rot-Grün aber noch unter Verschluss gehalten wird. Der FDP-Politiker Dirk Wedel hält das für unmöglich. Das Gutachten, das 175 000 Euro gekostet hat, müsse allen Mitgliedern des Landtags zugänglich gemacht werden, fordert er.

Vor Journalisten haben Römer und Priggen die geplante Ausweitung des Effizienzteams verteidigt. Man habe bislang "bis zum Anschlag gearbeitet" (Priggen). Die Aufgabe sei derart umfassend, dass Hilfe unerlässlich sei. Die Opposition bezweifelt jedoch den ernsthaften Sparwillen von Rot-Grün. Die CDU wirft dem Finanzminister vor, den Konflikt mit den Interessengruppen zu scheuen. Robert Stein (Piratenpartei) hält das Effizienzteam sogar nur für einen "PR-Gag". In Oppositionskreisen wird auch vermutet, dass die Landesregierung mit der Ausweitung des Teams nur Zeit schinden will: Das Sparkonzept solle erst nach der Bundestagswahl vorgelegt werden.

Vielleicht soll dann auch beim Personal gespart werden. Derzeit beschäftigt das Land rund 441 000 Frauen und Männer (einschließlich Hochschulbereich). Die Personalausgaben machen 44,8 Prozent des laufenden Haushalts aus. Die schwarz-gelbe Regierung hatte pro Jahr einen 1,5-prozentigen Stellenabbau (ohne Schule, Polizei und Justiz) verfügt. Die Regierung Kraft hat die Regelung abgeschafft.

Kritik an den aktuellen Kosten im Zusammenhang mit dem Effizienzteam will das Düsseldorfer Finanzministerium nicht gelten lassen. Die schwarz-gelbe Regierung habe in der Zeit von 2005 bis 2009 eigenen Angaben zufolge für mehr als 700 externe Beraterverträge insgesamt 65 Millionen Euro gezahlt.

(RP)
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