Tel Aviv UN sehen Hinweise auf Kriegsverbrechen in Gaza

Tel Aviv · Menschenrechtler werfen Israel vor, den Tod von Zivilisten in Kauf zu nehmen. Die Vereinten Nationen verlangen eine Untersuchung.

Die Akteure und Vermittler im Nahost-Konflikt
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Foto: afp, AM/jh

Die Bilder aus dem Gaza-Streifen sind fürchterlich: verwüstete Straßen, Familien, die unter Häusertrümmern begraben werden, Massenflucht, Tod. Die meisten Israelis nehmen das als notwendiges Übel hin, damit der Raketenbeschuss israelischer Städte endlich aufhört. Doch Amnesty International und zehn israelische Menschenrechtsorganisationen glauben, dass der Einsatz in Gaza ein Fall für die Justiz ist: "Die Zahl der toten Zivilisten legt den Verdacht nahe, dass Kriegsverbrechen begangen wurden", sagte Tamar Feldman von ACRI, dem Verein für Bürgerrechte in Israel.

Rund 600 Palästinenser kamen seit Beginn der Operation ums Leben. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza, das der radikal-islamischen Hamas untersteht, waren 70 Prozent der Toten Zivilisten, darunter 80 Kinder. Damit, so Feldman, könnten zwei Grundsätze des Kriegsrechts verletzt sein: "Die Verhältnismäßigkeit muss gewahrt bleiben, und die Armee muss Zivilisten schonen."

Die Vereinten Nationen verlangen eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge in Gaza. Navi Pillay, die Hochkommissarin für Menschenrechte, sagte, es gebe glaubwürdige Hinweise auf Kriegsverbrechen durch Israelis, aber auch die Hamas. Pillay verurteilte den Beschuss ziviler Ziele wie Wohnhäuser, Schulen und Krankenhäuser durch Israel. Zugleich prangerte sie das willkürliche Abfeuern von Raketen durch die Hamas-Kämpfer auf israelische Wohngebiete an.

Die Menschenrechtler berichten von Fällen wie der Familie Abu Jame, deren Haus am Sonntag bombardiert wurde. Zwar tötete der Angriff den Hamas-Aktivisten Ahmad Saliman Sahmoud, doch beim Einsturz des vierstöckigen Gebäudes kam seine ganze Familie um: 25 Personen, darunter 19 Kinder und eine schwangere Frau. Im Gegensatz zu anderen Fällen, berichtet die Menschenrechtsorganisation B'Tselem, sei bei diesem Angriff keine Vorwarnung gegeben worden. Die Bombe sei während des Abendessens eingeschlagen, mit dem Muslime im Ramadan das Fasten brechen.

Infrage steht auch die Rechtmäßigkeit des Artilleriebeschusses des Städtchens Sadschaija östlich von Gaza-Stadt, bei dem 17 Kinder und 14 Frauen ums Leben kamen. Zwar hatte Israel die Bewohner tagelang vor einem Angriff gewarnt und sie aufgefordert zu fliehen. "Eine solche Warnung verwandelt Wohnhäuser aber nicht in legitime militärische Ziele", hält B'Tselem fest.

"Nicht jeder tote Zivilist ist gleich ein Kriegsverbrechen", betonte Feldman zugleich. Sie sei sich sicher, dass "Israel Zivilisten nicht vorsätzlich ermordet hat".

(RP)
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