Budapest 49 Cent pro Gigabyte: Ungarn wütend über Internet-Steuer

Budapest · Die geplante Abgabe hat den machtvollsten Protest gegen die Orbán-Regierung seit zwei Jahren ausgelöst.

Viktor Orbán braucht Geld. Viel Geld. Die ungarische Wirtschaft steuert auf eine Rezession zu, weshalb der Premier laufend neue Steuerideen produziert. So will er 2015 eine "Internetsteuer" einführen, die dem Staat jährlich rund 600 Millionen Euro in die Kasse spülen soll. Jeder Nutzer muss pro Gigabyte Datenverkehr 150 Forint (49 Cent) zahlen. Die Netzanbieter werden verpflichtet, die Steuer an den Staat abzuführen.

Mit seiner jüngsten Steueridee könnte Orbán die Schmerzgrenze der ohnehin mit hohen Abgaben belasteten Ungarn überschritten haben. Am Wochenende gingen Zehntausende Menschen in Budapest und anderen Städten auf die Straße. Heute steht im Parlament die Internetsteuer auf der Tagesordnung; die Polizei rechnet mit einer weiteren Massendemonstration. Einen Vorgeschmack lieferten die chaotischen Ereignisse vom Sonntag in Budapest, als Tausende Demonstranten zum Hauptquartier der Regierungspartei Fidesz marschierten. Mit Schlachtrufen wie "Freiheit und Internet" und "Orbán, hau ab!" forderten sie die Rücknahme des Internetgesetzes. Die Facebook-Initiative "Milla" ("Eine Million für die Pressefreiheit") erzielte binnen zwei Tagen über 200 000 "Gefällt mir"-Klicks. Die Szenerie erinnerte an die antikommunistischen Proteste zur demokratischen Wende vor 25 Jahren, deren Anführer Orbán war.

Die Regierung zeigte sich von dem Wutsturm auf der Straße überrascht. Umgehend gab Fidesz-Fraktionschef Antal Rogán bekannt, dass die Internetsteuer auf 700 Forint (2,30 Euro) monatlich gedeckelt werde - was die Demonstranten aber nicht beruhigte.

Zugleich wächst in der Bevölkerung der Unmut über die Korruptionsaffären der Regierung Orbán. 40 Prozent der Ungarn leben unter oder an der Armutsschwelle. Dennoch schwelgen hohe Fidesz-Funktionäre im staatlich begünstigten Reichtum, reißen sich der Partei nahestehende Oligarchen die Wirtschaft unter den Nagel und werden bei der Vergabe staatlicher Aufträge begünstigt. Unternehmen, die sich den Schmiergeldforderungen verweigern oder nicht genügend zahlen können, gehen leer aus.

(RP)
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