Berlin Großer Krach in der großen Koalition

Berlin · Union und SPD haben bei einem Spitzentreffen wenig zuwege gebracht. Die Atmosphäre war sehr schlecht.

Das sechsstündige Spitzentreffen im Kanzleramt verlief weitgehend ergebnislos. Bei den Fragen der Bund-Länder-Finanzen und des Mindestlohns kam es zum Streit. Nach zwei Stunden soll CSU-Chef Horst Seehofer gesagt haben: "Was soll das hier? Das können wir auch gleich lassen." Da verhandelte die Gruppe über die Bund-Länder-Finanzen. Andere Teilnehmer klagten, es sei "elend lang" gewesen.

Damit tritt die große Koalition auf der Stelle. Wahrscheinlich wird es Mitte Mai das nächste Spitzentreffen geben, bei dem erneut die Finanzen auf den Tisch kommen. Die Union will auch erneut über Korrekturen am Mindestlohn sprechen.

Dabei hatte es in der Woche vor dem Treffen noch ganz gut ausgesehen. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte auf Wunsch der Koalitionsspitzen ein mehr als 50 Seiten dickes Papier zu den Auswirkungen des Mindestlohns ausgearbeitet. In der Union wiederum hatte das Dauerfeuer gegen den Mindestlohn nachgelassen. Auch beim Thema Bund-Länder-Finanzen konnte man auf einen Kompromiss hoffen. Schließlich haben Bund und Länder ein großes Interesse daran, sich bis zum Sommer auf eine Reform zu einigen. Denn wenn dies bis dahin nicht gelingt, wird es in dieser Wahlperiode wegen anstehender Landtagswahlen erst recht nicht mehr klappen. Allen Beteiligten ist klar, dass es in der nächsten Wahlperiode möglicherweise nicht mehr so viel Geld zu verteilen gibt wie heute.

Knapp drei Stunden dauerte die Debatte um die Bund-Länder-Finanzen. Beschlusslage der Union ist es, den Solidaritätszuschlag zwischen 2020 und 2030 abzuschmelzen. Die SPD befürchtet, dass dies dem Staat zu viel Geld und Gestaltungsspielraum entzieht. Als die Kanzlerin in der Diskussion Kompromissbereitschaft zeigte, fuhr Seehofer sie an, sie möge sich doch bitte an die eigenen Beschlüsse halten. Am Ende war die Situation so verfahren, dass man sich sogar darüber zerstritt, wie es nun weitergehen solle. Das Ergebnis: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) werden ein drittes Konzept zu diesem Thema vorlegen müssen.

Die einzige Teilnehmerin des Koalitionsausschusses, die gestern gute Laune hatte, war Arbeitsministerin Nahles. Die SPD blockierte alle Anliegen der Union, das Gesetz noch einmal aufzuschnüren, um die Dokumentationspflichten beim Mindestlohn abzumildern. Mit tatkräftiger Unterstützung von SPD-Chef Sigmar Gabriel schaffte es Nahles sogar, sich der Runde ohne konkreten Arbeitsauftrag zu entwinden.

Allein in der Flüchtlingsfrage gelang es, eine gemeinsame Linie zu finden. Sie soll bei einem Bund-Länder-Gipfel am 8. Mai konkretisiert werden.

(mar / qua)
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