"Operation Röschen" und "Die Populistin" Ursula von der Leyen und die Mission Kanzleramt

Berlin · Zwei neue Bücher beschäftigen sich mit der Frage, ob Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die nächste Kanzlerin wird. In beiden Büchern steht ihre Fähigkeit im Mittelpunkt, sich selbst zu inszenieren.

Die Personalie von der Leyen war bei der Kabinettsbildung im Dezember 2013 die spannendste Entscheidung der Kanzlerin. Damit hatte Angela Merkel (CDU) von der Leyens Bedingung erfüllt, dass diese nicht Gesundheitsministerin werden wollte. Sie hatte ihr auch den Vorzug gegenüber Thomas de Maizière (CDU) gegeben, der gerne Verteidigungsminister geblieben wäre. Und Merkel gab von der Leyen die Chance auf eine Bewährungsprobe, von der klar ist: Sollte sie diese meistern, hat sie die Qualifikation fürs Kanzleramt erworben.

Die nächsten möglichen Kanzler sind für Journalisten, die Politiker aus der Nähe beobachten, ein interessantes Objekt. Auch über den heutigen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und den einstigen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück (SPD) wurden Bücher geschrieben, als sie heiße Anwärter aufs Kanzleramt waren. Die Biografien über Merkel hingegen sind erst erschienen, als sie ihren Amtseid schon geleistet hatte. Eine Gesetzmäßigkeit gibt es in dieser Frage aber nicht.

Es lag in der Luft, nach ihrem erneuten Karriereschritt ein Buch über von der Leyen zu schreiben. In der vergangenen Woche sind gleich zwei Werke über die schillernde Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erschienen. Beide Bücher lohnen sich, wenn man mehr über die Ministerin und ihre Art, Politik zu machen, erfahren möchte.

"Operation Röschen"

Die Autoren der Wochenzeitung "Die Zeit", Peter Dausend und Elisabeth Niejahr, liefern unter dem Titel "Operation Röschen" einen intimen Einblick in die Arbeitsweise von der Leyens und analysieren mit scharfem Blick den Verlauf ihrer Beliebtheitskurve in der deutschen Öffentlichkeit. Den Spitznamen "Röschen" trägt von der Leyen seit ihrer Kindheit. Die Autoren des Magazins "Focus", Ulrike Demmer und Daniel Goffart, zeichnen detailliert von der Leyens politischen Aufstieg nach und beschreiben ihre politische Mission für den Aufstieg von Frauen.

Das Buch der Autoren Niejahr und Dausend beginnt in Ich-Perspektive damit, dass die Ministerin selbst für diese Biografie die Tür öffnet, und zwar die ihres großen Hauses in Niedersachsen, das von der Leyens Mutter einst "Tundrinsheide" taufte. Mit wohlwollender Distanz beschreibt Niejahr, dass es bei von der Leyens zu Hause längst nicht so straff zugeht, wie die Ministerin öffentlich wirkt. Aus der verabredeten Stunde für ein Gespräch werden acht Stunden, derweil die Ministerin zur gerade eskalierenden Frage der Waffenlieferungen in den Irak telefoniert, ein Interview gibt und schließlich für die Autorin Nudeln kocht.

"Die Populistin"

Den Autoren von "Focus" öffnete die Ministerin keine Türen. Sie stützen ihr Buch auf persönliche Begegnungen in der alltäglichen journalistischen Arbeit bei Reisen, Pressekonferenzen, in Hintergrundgesprächen und auf Recherchen in von der Leyens Umfeld. Dieser Ansatz führt dazu, dass ihre kritische Distanz zur Ministerin größer ist. Unter der Überschrift "Die Populistin" tragen sie in einem Kapitel ein hübsches Sündenregister zusammen, was von der Leyen schon alles gefordert hat: den "Familien-TÜV" für Arbeitgeber, Minderjährige als Alkohol-Testkäufer, um die Einhaltung des Jugendschutzes zu überprüfen, oder auch Familienhebammen in Problemvierteln. Gegenüber Journalisten werfen sie von der Leyen und ihrem Sprecher "massivere Einschüchterungsversuche" vor.

Zur Wahrheit gehört allerdings dazu, dass in Berlin beide Seiten, Journalisten wie Politiker, mit harten Bandagen kämpfen. Zur Buchvorstellung luden sich Demmer und Goffart von der Leyens schärfsten Kritiker ein, den früheren Generalinspekteur Harald Kujat. Diesen wiederum nennt von der Leyen (natürlich nicht öffentlich) "ein Reptil des Lodenmantelgeschwaders", wie Dausend und Niejahr zitieren.

So unterschiedlich die beiden Bücher auch sind, in einigen zentralen Punkten kommen sie zu den gleichen Schlüssen. Von der Leyen wird durchgehend als Solistin in der Politik beschrieben, die ohne Rückhalt in der Partei Politik auf eigene Rechnung macht und sich in den Medien zu inszenieren weiß. Auch ihrer in der Tat erstaunlichen Ähnlichkeit mit ihrem Vater, dem früheren Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Ernst Albrecht, widmen sich beide Autoren-Teams ausführlich. Sie beschreiben, dass von der Leyen nicht nur sein Lächeln, sondern auch seinen Politik-Stil geerbt habe. Beide Autoren-Teams zeichnen auch nach, dass der Aufstieg von Frauen von der Leyens zentrales Lebensthema ist, während sie mit der Rolle der Verteidigungsministerin fremdelt. Pointiert analysieren Dausend und Niejahr, warum auch die Öffentlichkeit von der Leyen die neue Rolle nicht abnimmt und ihre Beliebtheitswerte abstürzten: "Die Marke von der Leyen steht für heile Welt, nicht für internationale Krise, sie steht für warmes Mittagessen, nicht für Kalten Krieg."

Die entscheidende Frage - Kann und wird die 56-jährige von der Leyen eines Tages die 60-jährige Kanzlerin beerben? - beantworten beide Bücher mit einem eingeschränkten Ja. Demmer und Goffart setzen sich mit von der Leyens eigener Aussage auseinander, wonach es in jeder Generation nur einen Kanzler gebe. Wenn jemand in der CDU die Chance hat, diese Regel zu durchbreche, dann sei dies Ursula von der Leyen.

Niejahr und Dausend heben von der Leyens Wahlkampfqualitäten hervor und sehen ihre Chance aufs Kanzleramt für die Konstellation als am größten, wenn Merkel 2017 noch einmal antritt, ein Bündnis mit den Grünen eingeht und dann in der Mitte der Wahlperiode selbst abtritt. Skandalfreiheit als Verteidigungsministerin sehen die Autoren für die Kanzlerfrage nicht als allein entscheidend an. "Nur für seine Bilanz -das gilt in der Politik als ehernes Gesetz - wird niemand gewählt. Sondern für das, was die Leute von einem erwarten. Und Erwartungen zu wecken gehört zu den Stärken von Ursula von der Leyen."

(qua)
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