Plan der Ministerin für attraktive Bundeswehr Wohlfühl-Truppe? Von der Leyen wehrt sich

Berlin · Kübelweise Häme erntete Ursula von der Leyen, als sie jüngst ihr Attraktivitätsprogramm für die Bundeswehr auf den Weg brachte. Sie wolle offenbar "kuschelige Kasernen" und den Soldaten ein Image der "Warmduscher und Weicheier" geben, hieß es. Dem Ex-Generalinspekteur Harald Kujat kam die Ministerin gar vor "wie eine gute Hausfrau, die ihre Kinder versorgt". Sein Befund: "Frau von der Leyen hat ganz offensichtlich keine Ahnung vom Militär." Diese Härte in der Kritik lächelte die Ministerin nicht einfach weg, als sie nun zum Gegenangriff überging. Ihre Gegner irrten gewaltig, sagte die CDU-Politikerin. Wer eine attraktivere Bundeswehr lächerlich mache, "verhöhne" die Soldaten.

Ursula von der Leyen - EU-Kommissionschefin und siebenfache Mutter
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Das ist Ursula von der Leyen

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Foto: AP/Efrem Lukatsky

Was also denken die? Der Chef der Soldatengewerkschaft, Bundeswehrverbandschef André Wüstner, lehnt ein Entweder-oder nach Art Kujats ab. Der hatte der Ministerin vorgeschlagen, sich lieber für eine bessere Ausrüstung einzusetzen, statt das Berufsumfeld der Soldaten attraktiver zu machen. Nach Wüstners Einschätzung wollen die Soldaten beides.

Verschnupfte Töne sind auch aus der Truppe zu hören, wenn es um den erreichten Standard an Familienfreundlichkeit geht: Mit ihrer Fundamentalkritik verletze von der Leyen all diejenigen, die das schon seit vielen Jahren mit Leidenschaft und Selbstverständlichkeit betrieben. Wer sich dringend um Familienangehörige kümmern müsse, könne auch jetzt schon mit dem Entgegenkommen seiner Vorgesetzten rechnen. Dafür brauche man keine neuen Anweisungen aus dem Ministerbüro.

"Mein Gott, das ist doch nicht revolutionär"

Vor der Hauptstadtpresse schilderte auch von der Leyen selbst, wie sie bei ihrem Amtsantritt damit konfrontiert worden sei, dass von einem 82-Punkte-Plan zur attraktiveren Bundeswehr schon 90 Prozent umgesetzt seien. Doch für sie sind nicht Pläne entscheidend: "Das Maß ist, was davon im Effekt spürbar wird." Und da sprechen für die Ministerin die Eingaben an den Wehrbeauftragten eine deutliche Sprache. 90 Prozent der Soldaten-Anliegen drehten sich um die Probleme im dienstlichen Alltag. Und dann der Seitenhieb: Das sei übrigens schon zu aktiven Zeiten derjenigen gewesen, die jetzt die Kritiker anführten.

Von der Leyen zeichnet das Bild unbeweglicher, in festen Gewohnheiten verharrender Militärs. Da sich aber die Welt, die Strukturen und die Gesellschaft veränderten, müsse die militärische Führung auch bereit sein, neue Gedanken zu akzeptieren. "Mein Gott, das ist doch nicht revolutionär", stöhnt von der Leyen und verweist auf modern geführte Unternehmen und selbstverständliche Wahlfreiheiten von deren Beschäftigten. Bei der Bundeswehr müssten Laufbahnen nicht mit einer derart extremen Anzahl von Umzügen verbunden sein. Und auch bei der Bundeswehr gebe es — außerhalb von Auslandseinsätzen und einzelnen Funktionen — durchaus 90 Prozent Führungsdienstposten, für die Teilzeitmodelle denkbar seien.

Die Kritiker übersehen nach Einschätzung der Ministerin die Gefahr, dass die Truppe nach dem Aussetzen der Wehrpflicht das qualifizierte Personal nicht mehr rekrutieren kann, das für die Bedienung der hochkomplexen Waffensysteme gebraucht werde. Dabei gehe es auch um vermeintliche Kleinigkeiten wie die fehlende Möglichkeit, sich online bei den Streitkräften zu bewerben. Dabei brauche die Truppe jährlich 60.000 Bewerber, um ihren Bedarf zu decken. Gerade weil sie diesen aber nicht so viel Geld bieten könne, müsse erst recht das berufliche Umfeld stimmen.

Auf einmal wieder die Familienpolitikerin

Kann sich von der Leyen erklären, warum gestandene Militärs derart gereizt und scharf auf ihr Programm reagieren, das mit seinen 29 Punkten und jährlich 20 Millionen Euro im Vergleich zu den übrigen Milliarden-Programmen der Bundeswehr doch ziemlich übersichtlich ist? "Angst" vermutet die Ministerin —und zwar "vor Veränderung". Sie macht sich nicht lustig darüber, sondern betont, dass sie dies sehr ernst nehme.

Deshalb gehe es nun darum, den Kritikern die Angst davor zu nehmen, dass Veränderung automatisch etwas Schlechtes sei. Manchmal müsse man halt eine Organisation verändern, wenn es um den Erhalt wichtiger gesellschaftlicher Werte gehe.

Da spricht auf einmal wieder die Familienpolitikerin, die der CDU mehr Modernität einhauchte, indem sie das Eintreten für vermeintlich weiche Neben-Themen aus dem weiten Feld einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch als Konkretisierung wertegebundener Politik verkaufte. Nach dem System CDU ist nun das System Bundeswehr an der Reihe. Gelernt ist gelernt.

(qua)
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