Bundesregierung zieht Konsequenzen US-Geheimdienstler muss ausreisen

Berlin · Die Krise der deutsch-amerikanischen Beziehungen verschärft sich. Die Bundesregierung reagiert auf die jüngste Spionageaffäre und fordert den Vertreter der US-Nachrichtendienste auf, das Land zu verlassen.

Mit einem beispiellosen Schritt zieht die Bundesregierung Konsequenzen aus den wiederholten Spionage-Vorwürfen gegen die USA: Der Repräsentant der US-Geheimdienste in Berlin wurde aufgefordert, das Land zu verlassen. Regierungskreise erläuterten, dahinter stehe nicht nur Empörung über die jüngst aufgedeckten Spionagefälle gegen den Bundesnachrichtendienst und das Verteidigungsministerium, sondern auch die Weigerung der USA, die Abhörpraxis ihres Geheimdiensts NSA aufzuklären.

Auf den für die deutsch-amerikanischen Beziehungen ungewöhnlich drastischen Schritt verständigten sich Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) nach Informationen unserer Zeitung gestern Vormittag in einer Telefonschaltkonferenz. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die während der Beratungen im Hubschrauber unterwegs war, wurde nach ihrer Landung einbezogen. Kurz danach traf sich Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen mit seinem höchsten US-Kontaktmann, um ihm die Aufforderung der Bundesregierung zum Verlassen des Landes zu übermitteln. Falls er auf diese mündliche Empfehlung nicht reagiere, werde die Bundesregierung ihn förmlich zur unerwünschten Person erklären und ihm seinen diplomatischen Sonderstatus entziehen, hieß es weiter aus Regierungskreisen.

Vergangene Woche war ein 31-jähriger BND-Mitarbeiter unter dem Verdacht geheimdienstlicher Agententätigkeit festgenommen worden. Wie sich gestern im geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium der Bundesregierung herausstellte, hatte der Mann 218 Geheimdokumente im Dienst fotokopiert, die Kopien zu Hause gescannt und dem US-Geheimdienst zum Kauf angeboten. Schon 2012 soll er der Spionageabwehr aufgefallen sein, die ihn aber erst dingfest machte, als er die Dokumente im Umfang von fünf Aktenordnern auch Russland anbot. Der zweite Spionagefall, in den ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums verwickelt sein soll, gestaltet sich nach Einschätzung der Geheimdienstkontrolleure komplizierter. Der Referent der politischen Abteilung, dessen Büro- und Privaträume Anfang dieser Woche durchsucht worden waren, befindet sich weiterhin auf freiem Fuß.

"Mit ihrem Vorgehen hat die Bundesregierung den Amerikanern nun die Gelbe Karte gezeigt", sagte Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Botschaft laute: "Es reicht!" Der Schritt sei von neuer Qualität, habe vorerst aber keine praktischen Auswirkungen. "Sämtliche Kommunikationskanäle mit den Vereinigten Staaten stehen auch weiterhin offen", erläuterte der Wissenschaftler.

Steinmeier sagte zwar eine für die nächste Woche geplante USA-Reise ab, stellte sich aber darauf ein, am Rande der Verhandlungen über das iranische Atomprogramm bereits am Wochenende mit seinem Amtskollegen John Kerry über das deutsch-amerikanische Verhältnis zu sprechen. Die US-Botschaft nahm den Vorgang zur Kenntnis und wiederholte, dass sie sich grundsätzlich nicht zu Geheimdienstfragen äußere. Die Sicherheitspartnerschaft mit Deutschland habe "jedoch nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert"; deshalb sei es unerlässlich, dass die Zusammenarbeit "in allen Bereichen fortgesetzt" werde.

(jd/may-/qua)
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