Caracas Venezolaner beten für krebskranken Chavez

Caracas · Die Hände zum Gebet gefaltet, die Gedanken beim Präsidenten – so, wie sich in der San-Francisco-Kirche die Kabinettsriege versammelt, geht es in diesen Tagen in Caracas an vielen Schauplätzen zu. Minister, Anhänger, aber auch Kritiker von Venezuelas Präsident Hugo Chavez (58) bitten himmlische Mächte um dessen Genesung.

Erst im Oktober war Chavez wiedergewählt worden. Noch einmal hatte der ehemalige Oberst und Führer des von ihm erfundenen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" seine Landsleute mit einem mächtigen Propaganda-Bombardement der linientreuen staatlichen Medien überzeugen und den jugendlichen Herausforderer Henrique Capriles Radonski in die Schranken verweisen können.

Immer wieder hatte Chavez im Wahlkampf betont, er habe den Krebs besiegt und sei vollständig geheilt. Doch jetzt droht Chavez zum Opfer dieser Wahlkampf-Inszenierung zu werden. Eine angeblich neue Krebserkrankung machte eine neue Operation Mitte Dezember in Havanna notwendig. Vizepräsident Nicolas Maduro, der bereits von Chavez vorsorglich zum Nachfolger erkoren worden ist, räumte zuletzt ein, dass es Komplikationen gebe und der Zustand des Staatschefs "nicht frei von Risiken" sei.

Die Zeit läuft ihm davon. Die Verfassung sieht vor, dass der zu vereidigende Präsident kommenden Donnerstag, am 10. Januar, zur Verfügung stehen muss. Kann er dies nicht, müssten Neuwahlen angesetzt werden. Seit Tagen wabern Gerüchte durch die venezolanische Hauptstadt, Chavez könne in Havanna vereidigt werden. Bereits im vergangenen Jahr hatte der "Comandante Presidente" wochenlang von Kuba aus regiert. Ganze Kabinettssitzungen wurden mit Billigung des Parlaments im Ausland abgehalten.

Anderen Spekulationen zufolge kommt Chavez im Krankenbett nach Caracas oder – auch das glauben viele Menschen – er hat den Kampf gegen den Krebs längst verloren und wird bald sterben. Aktuelle Bilder von Chavez gibt es nicht.

Einer der schärfsten Kritiker von Chavez ist Kardinal Jorge Urosa. "Beten wir zu Gott, dass er ihm in diesen schwierigen Momenten Kraft schenkt", reiht sich der Erzbischof von Caracas in die Liste der Betenden ein und merkt an: Er vertraue darauf, dass die Politiker des Landes verfassungsgemäß handelten, wenn Chavez nicht wie geplant vereidigt werden könnte. Ein versteckter Hinweis darauf, dass die ohnehin mit Chavez auf Kriegsfuß stehende katholische Kirche auf Neuwahlen besteht, sollte Chavez sich nicht rechtzeitig erholen.

(RP)
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