Caracas Venezuela auf dem Weg zur Linksdiktatur

Caracas · Seine Entscheidung zur Entmachtung des Parlamentes nimmt das Oberste Gericht nach massiven Protesten zurück.

In Venezuela brodelt es gewaltig. Auch am Wochenende gingen wütende Menschen auf die Straßen von Caracas, um lautstark ihrem Frust über die politischen und wirtschaftlichen Missstände freien Lauf zu lassen. Daran änderte auch nichts, dass das von den Sozialisten kontrollierte Oberste Gericht des Landes am Samstag seine Entscheidung, das Parlament zu entmachten, zurückgenommen hatte. Die Entrüstung im Land über diese Entmachtung der letzten Rechte einer ohnehin schwachen Demokratie hatte Staatschef Nicolás Maduro (54) zum Einlenken gebracht.

Doch das geschah weniger aus Überzeugung, eher aus dessen politischem Überlebenswunsch. Der Präsident weiß, wie fragil die Lage inzwischen ist; er weiß, die Menschen haben nur noch wenig zu verlieren, und sie sind zum Letzten entschlossen. Das Land steht am Abgrund und droht zusammenzubrechen. Der Vizepräsident der sozialistischen Regierungspartei PUSV, Diosdado Cabello, begrüßte dagegen die Entmachtungsentscheidung des Gerichts und warf der Nationalversammlung Versagen vor.

Auch Venezuelas Nachbarn sind entsetzt. Die südamerikanische Wirtschaftsunion Mercosur verurteilte auf einer Dringlichkeitssitzung der Außenminister Argentiniens, Brasiliens, Paraguays und Uruguays den Bruch der demokratischen Ordnung. Sie forderten Maduro auf, die Gewaltenteilung zu beachten und die Verfassung zu respektieren.

Um die hochumstrittene Entscheidung zu rechtfertigen, hatte Maduro auf den Nationalen Verteidigungsrat gesetzt. Der war erstmals zusammengetreten, nachdem der Oberste Gerichtshof dem von der bürgerlichen Opposition kontrollierten Parlament die Kompetenzen entzogen und die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten verfügt hatte. Einen Putsch nannte das die Opposition, einen totalen "verfassungsrechtlichen Sieg" des Volkes nannte das Maduro. Dem widersprach die Opposition. "Jetzt leben wir in einer Diktatur", sagt Oppositionsführer Henrique Capriles, der bei den Wahlen 2013 dem Wunschnachfolger des verstorbenen Revolutionsführers Hugo Chávez und jetzigem Amtsinhaber Maduro hauchdünn unterlegen war.

Die katholische Kirche positionierte sich eindeutig. "Es ist an der Zeit, sich sehr ernsthaft und verantwortungsvoll zu fragen, ob nicht Maßnahmen wie ziviler Ungehorsam, friedliche Demonstrationen, Forderungen an die nationalen und internationalen politischen Machthaber und Bürgerproteste gültig und angebracht sind", hieß es in einer Erklärung der venezolanischen Bischöfe am Wochenende. Kardinal Baltazar Porras Cardozo sagte, die erste Entscheidung des Obersten Gerichts sei ein eklatanter Angriff auf das demokratische Fundament des südamerikanischen Landes gewesen. Die Maßnahme ziele darauf ab, die fundamentale Basis der Demokratie zu leugnen. Ein totalitäres System führe das Land in eine Diktatur, weil es die Unabhängigkeit nicht anerkennen wolle, die sich in dem Willen des Volkes spiegle, das die Nationalversammlung gewählt habe, so Porras. Das Vorgehen des Gerichts verstoße gegen die venezolanische Verfassung.

Die Venezolaner verlangten, dass ausstehende Wahlen endlich durchgeführt werden, erklärte der Erzbischof von Merida. Ein Zusammenschluss von 51 Nichtregierungsorganisationen hatte am Wochenende die Richter des Obersten Gerichtshofes zum Rücktritt aufgefordert. Sie stützen sich auch auf Äußerungen der Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz, die dem Gericht Verfassungsbruch vorgeworfen hatte. Auch Friedensnobelpreisträger Oscar Arias (Costa Rica) zeigte sich entsetzt und rief die lateinamerikanischen Staaten dazu auf, diesen "Staatsstreich" nicht hinzunehmen.

Seit 1999 sind in Venezuela die Sozialisten an der Macht. Hugo Chávez, der 2013 an Krebs gestorben ist, sah sich als Anwalt der Armen. Er versprach mehr soziale Gerechtigkeit und Wohlstand. Er legte sich auch mit den USA an, denen er immer wieder Einmischung in die Belange Venezuelas vorwarf. Die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft - Venezuela verfügt über die größten Reserven weltweit - investierten die Sozialisten in Bildung und in die Verbesserung der Lebenssituation der ärmeren Bevölkerungsschichten.

Doch die zuletzt drastisch gefallenen Erdölpreise und Misswirtschaft brachten das Land unter Druck. Die Menschen leiden unter Lebensmittelmangel und vor allem auch unter einer dramatischen Verknappung von Medikamenten. Die Inflation ist inzwischen die höchste der Welt. Chávez-Nachfolger Maduro spricht von einem Wirtschaftskrieg des Auslands gegen sein Land.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort