Caracas Venezuelas Frauen tragen den Widerstand gegen Präsident Maduro

Caracas · Mutig stellt sich eine Frau mit einer venezolanischen Flagge einem gepanzerten Polizeifahrzeug in den Weg. Das Bild steht als Symbol für den Angriff der Staatsmacht auf das Volk. In fast allen Städten Venezuelas war es am Mittwoch zu Massenprotesten gegen die Regierung des umstrittenen sozialistischen Präsidenten Nicolás Maduro gekommen. Und mittendrin in den Protesten marschierte Lilian Tintori. Die Ehefrau des seit drei Jahren inhaftierten prominenten Oppositionspolitikers Leopoldo López trug eine Maske, als Schutz gegen Tränengasattacken. Sogar aus Hubschraubern wurden zuletzt Tränengasgranaten auf die demonstrierende Menge geschossen. Tintori gehört zu einer Riege von prominenten Regierungskritikerinnen. Allesamt Lebensgefährtinnen von politischen Häftlingen, die gewaltfrei, aber kreativ demonstrieren. Auch die Studentenbewegung wird von vielen jungen Frauen geführt.

Eine von ihnen starb bei den Protesten, und auch ein junger Mann, Carlos Moreno. Er hatte gerade erst mit dem Studium begonnen. Er starb bei der "Mutter aller Demonstrationen" durch einen Kopfschuss in seinem Kampf für ein besseres Venezuela. Er wurde noch per Motorrad ins Krankenhaus gebracht, aber Ärzte konnten den 17-Jährigen nicht mehr retten. Als Täter werden radikale Milizen der Sozialisten vermutet, die auf Motorrädern Demonstranten angreifen.

Auch für gestern hatte die Opposition zu neuen Protesten aufgerufen. Präsident Maduro sieht die Opposition als Handlanger der USA, die eine Intervention planten. Und lässt nun rund 500.000 regimetreue Milizionäre mit Gewehren ausrüsten. Oppositionsführer Henrique Capriles verurteilte die Ankündigung scharf: "Venezuela will keine Gewehre, sondern Nahrung und Medikamente." Auch die aus dem Parlament ausgeschlossene Maria Corina Machado, eine der Wortführerinnen der Opposition, meldete sich zu Wort: "Die Diktatur ist am Ende." Tintori und Machado, die beiden prominentesten Regimekritikerinnen, verließen trotz massiver Drohungen und Einschüchterungen ihr Heimatland nicht. Machado wurde im Parlament das Nasenbein gebrochen, Tintori erlebte bei einer Wahlveranstaltung, wie neben ihr ein Mitstreiter erschossen wurde. Trotzdem entschieden sich beide gegen das komfortable Exil in Miami, um im gefährlichen Caracas zu bleiben. Das hat den Frauen viel Respekt auch in jenen Bevölkerungsschichten eingebracht, die der bürgerlich-konservativen Opposition bislang kritisch gegenüberstanden.

Das Duo macht den anderen Mut: Viele Venezolaner scheinen trotz tödlicher Zwischenfälle und der Drohungen Maduros die Angst vor der Staatsmacht verloren zu haben. Andere aber ertragen den Alltag nicht mehr, die Korruption, die Gewalt, die Armut. Zehntausende sind schon ins Ausland geflüchtet. Mit mehr als 700 Prozent hat das Land die höchste Inflation der Welt: Für einen Euro gibt es auf dem Schwarzmarkt 4900 Bolivares. Der Mindestlohn beträgt umgerechnet noch rund zehn Euro im Monat.

Auch weil das Land ständig am Rande der Pleite steht, fehlt Geld, um im Ausland Lebensmittel und Medikamente einzukaufen. Wer nicht mit den Sozialisten ist, ist im Nachteil. Um in den Genuss von Lebensmittelpaketen zu kommen, muss man ein "Carnet de la Patria" beantragen, einen "Vaterlandsausweis" - und sich bereit erklären, die Regierung zu unterstützen. So wird Treue erkauft. Denn alle anderen müssen in Schlangen vor oft leeren Supermärkten stehen.

(dpa/RP)
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