Rom Vermutlich 330 Bootsflüchtlinge tot

Rom · Am Hafen von Lampedusa stauten sich die Leichenwagen. In ihnen sollten die leblosen Körper der 29 Flüchtlinge auf das Festland transportiert werden, die zu Beginn der Woche auf der Überfahrt von Libyen auf die italienische Mittelmeerinsel erfroren waren. Für Dutzende, vielleicht Hunderte andere Bootsflüchtlinge kommt nicht einmal mehr ein Begräbnis infrage. Wenn die Berichte einiger Überlebender zutreffen, dann treiben ihre Leichen im Mittelmeer.

Die Ausmaße des Unglücks vor Lampedusa wären dann wesentlich größer als bisher vermutet. Beim Versuch der Überfahrt nach Italien sind in den vergangenen Tagen offenbar 330 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Das geht aus Zeugenaussagen von neun Überlebenden hervor, die auf einem Rettungsschiff der Küstenwache gestern Lampedusa erreichten. Mitarbeiter des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen und der Internationalen Organisation für Migration befragten die Menschen aus Senegal und Mali, darunter auch einen zwölfjährigen Jungen.

Eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks nannte die Vorgänge eine "schreckliche Tragödie" und fasste die Zeugenaussagen zusammen. Danach hätten an der libyschen Küste nahe Tripolis am Samstag vier Schlauchboote mit Flüchtlingen abgelegt. Nur drei Boote seien aber von der Küstenwache gefunden worden. Auf einem trafen die Retter 105 Menschen an, von denen bereits sieben wegen Unterkühlung tot waren; weitere 22 starben auf dem Rettungsschiff. In den anderen beiden Schlauchbooten seien insgesamt nur noch neun Überlebende gewesen.

Nach Berichten der Überlebenden sei auch ein viertes Boot gemeinsam mit den anderen unter widrigsten Wetterbedingungen in Richtung Lampedusa in See gestochen. Von diesem Boot fanden sich keine Spuren. Die Zeugen berichteten, die Schlepper hätten an der libyschen Küste nahe Tripolis trotz Widerstands der Flüchtlinge auf jedem der Boote etwa 100 Menschen mit Waffengewalt untergebracht.

Nach einem neuen Massenansturm auf die spanische Nordafrika-Exklave Melilla haben marokkanische Sicherheitskräfte unterdessen mehrere Lager von Migranten in der Umgebung gewaltsam geräumt.

(RP)
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