Ouistreham Versöhnliche Töne beim D-Day-Gedenken

Ouistreham · Der Ukraine-Konflikt beschäftigte die Staats- und Regierungschefs in der Normandie. Putin sprach mit Obama und Poroschenko.

Mit tiefblauem Himmel und fast sommerlichen Temperaturen bot die Normandie Frankreichs Präsident François Hollande und seinen Gästen nach außen hin eine perfekte Kulisse für die Feierlichkeiten zum D-Day-Gedenken. An den historischen Stätten zwischen Bayeux und den ehemaligen Landungsstränden gedachten die 19 geladenen Staats- und Regierungschefs im Beisein von mehr als 1000 inzwischen hochbetagten Veteranen in verschiedenen Zeremonien der im Zweiten Weltkrieg gefallenen alliierten Soldaten und deren Beitrag für den Frieden in Europa.

"Frankreich wird niemals vergessen, was es diesen Soldaten schuldet, was es den USA schuldet", sagte Hollande bei einer Feier mit US-Präsident Barack Obama auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof von Colleville-sur-Mer. Obama wiederum erinnerte an die Verpflichtung zu Frieden und Freiheit, die damals wie heute gelte - "dieser Anspruch ist mit Blut auf diesen Strand geschrieben, und er wird für immer fortdauern", betonte er.

Bestimmt wurden die Feierlichkeiten von der Krise in der Ukraine und den jüngsten Spannungen zwischen Russland und dem Westen. So richteten sich denn auch alle Augen auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der zum ersten Mal seit der Annexion der Krim wieder mit den anderen westlichen Spitzenpolitikern zusammentraf. Vom Gipfeltreffen der Industrienationen in Brüssel in dieser Woche war er noch ausgeladen worden. Vor allem das Verhältnis zwischen Obama und Putin gilt seit der Ukraine-Krise als extrem angespannt.

So waren die beiden auch in der Normandie zunächst sichtlich darum bemüht, sich aus dem Weg zu gehen. Auf dem "Familienfoto" vor dem Schloss Bénouville unweit von Caen stellten sie sich in gebührendem Sicherheitsabstand voneinander auf - sorgsam eingerahmt von Hollande und den beiden Königinnen, Elizabeth II. von England und Margarethe II. von Dänemark. Ähnlich fiel die Sitzordnung beim festlichen Mittagessen aus, das Hollande von den besten Küchenchefs der Region hatte ausrichten lassen: Bei Sankt-Peters-Fisch, Kalbskeule und normannischen Dessertspezialitäten, so hoffte der Gastgeber wohl, würde die Stimmung auftauen.

Ob es am Menü lag oder eher nicht, am Rande der Feierlichkeiten gab es dann schließlich doch direkte Gespräche mit dem Kremlchef. Im Badeort Deauville, rund 50 Kilometer nordöstlich von Caen, kam zunächst Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Putin zusammen. Dabei forderte sie ihn nach Angaben der Bundesregierung auf, alles in seiner Macht stehende zu tun, "um eine Stabilisierung der Lage insbesondere in der Ost-Ukraine zu erreichen". Russland müsse seiner großen Verantwortung gerecht werden.

Völlig unerwartet traf sich Putin dann auch mit dem neu gewählten ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko. Die Begegnung war die erste Zusammenkunft seit der Präsidentschaftswahl in der Ukraine am 25. Mai und darf als Quasi-Anerkennung Poroschenkos durch Putin gewertet werden. Wie aus dem Umfeld Hollandes verlautete, hätten sich beide darauf verständigt, in Kürze über "die Modalitäten eines Waffenstillstandes" zu beraten. An dem Gespräch nahmen offenbar auch Merkel und Hollande teil.

Die eigentliche Überraschung gab es dann am späten Nachmittag: Während am Strand von Ouistreham noch die internationale Gedenkzeremonie lief, verlautete aus französischen und amerikanischen Regierungskreisen, dass sich auch Obama und Putin getroffen hätten. Bei einem "informellen Gespräch", so hieß es, hätten sich beide für ein rasches Ende aller Kämpfe in der Ukraine ausgesprochen.

So haben ausgerechnet die Feierlichkeiten am Rande der ehemaligen Schlachtfelder letzten Endes doch zu einer Annäherung im aktuellen Konflikt geführt und die Normandie abermals in den Blickpunkt der Welt gerückt.

(RP)
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