Bern Viele Deutsche verlassen die Schweiz

Bern · Die Rückkehrer beklagen Diskriminierung und soziale Kälte.

In der Schweizer Hauptstadt ist neben dem behäbigen Berndeutsch vor allem Hochdeutsch zu hören. Städte in der Eidgenossenschaft wie Bern und Zürich zogen in den vergangenen Jahren die Deutschen in Scharen an – 284 000 lebten 2012 unter 6,2 Millionen Eidgenossen. Ärzte, Wissenschaftler, Pfleger, Kellner und Busfahrer ließen sich auf das Abenteuer Schweiz ein – vor allem wegen der gut bezahlten Jobs. Doch inzwischen packen immer mehr Deutsche ihre Koffer.

2012 kehrten mehr als 16 000 Deutsche in ihre Heimat zurück. In diesem Jahr könnten es deutlich mehr werden. Und sie lassen die Schweiz mit Erleichterung zurück.

Besonders pointiert schildert der frühere Auslandsredakteur der "Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag", Christoph Plate, die Gründe des Exodus seiner Landsleute: "Die vielen, die gehen, beklagen Eigenschaften an den Schweizern, die man sonst eigentlich den Deutschen zuschreibt: die geistige Enge, die vielen Vorschriften, den latenten Antisemitismus, die Ausländerfeindlichkeit, die völlige Abwesenheit von Selbstironie." Gegenüber den "Dütschen" sei das "Grundmisstrauen" immer da.

Die Altenbetreuerin Renate Schwarzer fühlt sich auch nach zehn Jahren in der Schweiz nicht heimisch: "Das Leben hier ist radikal anders als in Deutschland", sagt die Berlinerin. Das größte Problem für Deutsche mit den Schweizern? "Es dauert sehr, sehr lange, bis man sie richtig kennenlernt." Viele Eidgenossen, da ist sich Renate Schwarzer sicher, hätten einen Minderwertigkeitskomplex wegen ihres langsamen und sperrigen Dialekts.

Die förmliche Höflichkeit der Schweizer führe oft zu Missverständnissen. Der Chef verpacke Kritik in so formvollendete Floskeln, dass man die eigentliche Standpauke gar nicht erkenne. Ihre langjährige Erfahrung als Deutsche unter Schweizern fasst sie so zusammen: "Die mögen uns nicht."

Andersherum: Bei etlichen Schweizern löst die massenhafte Einwanderung aus Deutschland, dem "großen Kanton", Ängste aus. Nehmen die gut qualifizierten Deutschen nicht die guten Jobs und Wohnungen weg? Passt die deutsche Ellbogenmentalität zur Schweiz? Geschürt wird die Furcht von rechten Politikern: "Einzelne Deutsche stören mich nicht, mich stört die Masse", hetzt etwa Natalie Rickli von der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei.

(RP)
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