Streit über Plagiatsjäger Von der Leyen kämpft um ihren Ruf

Berlin · Bei der Jagd nach Plagiaten setzt ein Umdenken ein: Die Hochschullehrer sprechen sich für eine Verjährungsfrist aus.

Politiker und Plagiats-Affären
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Foto: dpa, mg lof

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) stehen schwierige Wochen der Ungewissheit ins Haus. Die Medizinische Hochschule Hannover überprüft ihre Doktorarbeit auf mögliche Plagiate. Vom Ausgang der Prüfung könnte ihr politisches Schicksal abhängen.

So sieht es zumindest der stellvertretende Chef der SPD-Fraktion, Hubertus Heil. Der betonte, die Unschuldsvermutung gelte auch für die Verteidigungsministerin, und die Prüfergebnisse müssten abgewartet werden. "Sollte sich aber herausstellen, dass es sich um einen ernstzunehmenden Plagiatsfall handelt, müssen die gleichen politischen Maßstäbe angewendet werden wie in vorgelagerten Fällen", sagte Heil unserer Redaktion.

"Die Arbeit war damals inhaltlich neu und relevant"

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Von der Leyen ist nach Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Annette Schavan (CDU) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) der vierte Fall von Ministern während der Kanzlerschaft Angela Merkels, die sich Vorwürfen der Plagiatsjäger ausgesetzt sehen. Dem damaligen Verteidigungsminister zu Guttenberg wurde 2011 nachgewiesen, dass er seitenweise Passagen aus anderen Werken in seine Dissertation übernommen hatte. Er verlor Titel und Amt. Der damaligen Bildungsministerin Annette Schavan wurde ihr Doktortitel nach einem umstrittenen Vorgehen der Uni Düsseldorf aberkannt. Auch sie musste zurücktreten. Bei Außenminister Steinmeier fanden die Prüfer handwerkliche Mängel und Zitierfehler - wissenschaftliches Fehlverhalten oder Täuschungsabsicht stellte die Uni Gießen aber nicht fest.

Bei von der Leyen wollen die Plagiatsjäger nun auf 27 von 62 Seiten Stellen gefunden haben, die nicht korrekt zitiert worden seien. Allerdings wird der Ertrag der Arbeit von dem Gynäkologen Frank Louwen vom Uniklinikum Frankfurt verteidigt. "Die Arbeit war damals inhaltlich neu und relevant. Das Ergebnis der Doktorarbeit ist sogar in die Leitlinien aufgenommen worden", sagte Louwen "Spiegel Online". Von der Leyen beschäftigte sich in ihrer Dissertation mit der Frage, wie man auf einen vorzeitigen Blasensprung bei Schwangeren medizinisch richtig reagiert.

In der Wissenschaft ist VroniPlag umstritten

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Von der Leyen macht im Sattel eine gute Figur

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Viele Wissenschaftler betrachten inzwischen Plagiatsjäger distanziert. "Ihr Vorgehen ist sehr unakademisch", sagt der frühere Chef der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Biochemiker Ernst-Ludwig Winnacker. "Ich vermute, dass der Angriff auf von der Leyens Dissertation ein Politikum ist, wie es auch bei Schavan der Fall war", sagt Winnacker.

Er betont, dass er die Arbeit von der Leyens nicht gelesen habe. Die bislang veröffentlichten Plagiatsvorwürfe überzeugten ihn aber nicht. Wichtig sei, dass der experimentelle Teil ihrer Arbeit richtig sei, so Winnacker. Er verwies auch darauf, dass es insbesondere in den Naturwissenschaften üblich sei, Textpassagen zu übernehmen, wenn der Sachverhalt auf anderem Wege nicht besser oder exakter ausgedrückt werden könne.

"Frühestens nach zehn Jahren"

In der Wissenschaft hat mittlerweile eine Debatte eingesetzt, ob es für den Entzug des Doktortitels eine Verjährungsfrist geben sollte. "Aus meiner Erfahrung als Sprecherin des Ombudsgremiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft sehe ich aber nachvollziehbare und gut vertretbare Argumente, die für eine Verjährung der Entziehung des Doktorgrades, das heißt die amtliche Sanktionsbefugnis sprechen", sagte die Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Ulrike Beisiegel. Das treffe aber nicht die Beurteilung von Verstößen gegen die gute wissenschaftliche Praxis, fügte sie hinzu.

Der Hochschulverband will die Fakultäten an den Unis unabhängig über Verjährungsfristen entscheiden lassen. "Eine solche Verjährungsfrist sollte aber frühestens nach zehn Jahren greifen", sagt Michael Hartmer, Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes. Ansonsten fehle die Zeit für kritische, rechtzeitig warnende Besprechungen in der Fachliteratur.

Auch die Rolle der Professoren und Doktorväter rückt angesichts der vielen Plagiatsvorwürfe in den Fokus. Es stellt sich die Frage, ob auch die Doktorväter und -mütter mit ausreichender Sorgfalt vorgehen. Die Hochschulrektorenkonferenz verweist dazu auf ihre Empfehlungen für Promotionsverfahren, in denen es heißt: "Die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses gehört zu den grundlegenden Aufgaben von Professorinnen und Professoren." Winnacker, der selbst zwischen 300 und 400 Dissertationen gelesen und beurteilt hat, sieht unter den Kollegen durchaus Unterschiede. Es gebe Doktorväter, die sehr pingelig seien und alles überprüfen würden. Andere wiederum machten Stichproben und schauten nur auf die Ergebnisse.

(jd / qua)
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