VW-Affäre Kutschaty fordert Entschädigungen für Fahrer auch in Deutschland

Berlin · Im VW-Aufsichtsrat gibt es offenbar eine Mehrheit für Matthias Müller. Auch viele Fahrzeuge in Europa sind vom Abgas-Skandal betroffen. Der NRW-Justizminister Thomas Kutschaty fordert, dass auch Fahrer in Deutschland entschädigt werden.

 NRW-Justizminister Thomas Kutschaty.

NRW-Justizminister Thomas Kutschaty.

Foto: dpa

Porsche-Chef Matthias Müller soll neuer Chef von Volkswagen werden. Das verlautete aus Konzernkreisen. Der 62-Jährige habe eine Mehrheit im Aufsichtsrat, hieß es in übereinstimmenden Medienberichten. Damit hat sich der engere Führungszirkel einen Tag nach dem Rücktritt von Martin Winterkorn auf einen Nachfolger verständigt. Müller soll auf der heutigen Aufsichtsratssitzung präsentiert werden.

Als weitere personelle Konsequenzen müssen offenbar auch Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg, Porsche-Entwicklungschef Wolfgang Hatz sowie VW-US-Chef Michael Horn ihre Posten im Konzern räumen. Volkswagen lehnte eine Stellungnahme dazu ab.

Der Konzern räumte unterdessen Abgas-Manipulationen wie in den USA auch in Europa ein. VW habe ihm mitgeteilt, "dass auch in Europa Fahrzeuge mit 1,6- und 2,0-Liter- Dieselmotoren betroffen sind", sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Betroffen sind neben Audi auch die Konzerntöchter Skoda und Seat, da sich die Unternehmen Bauteile wie Motoren und Getriebe teilen. Eine Aufschlüsselung nach Marken, Ländern und Modellen gibt es aber noch nicht.

VW schätzt die Zahl der betroffenen Fahrzeuge weltweit auf elf Millionen. Knapp eine halbe Million davon fährt in den USA, wo der Skandal seinen Anfang nahm, als die dortige Umweltbehörde EPA Volkswagen Manipulationen bei den Abgaswerten nachwies. Dobrindt will nun Abgas-Nachprüfungen durch das Kraftfahrt-Bundesamt auch auf andere Hersteller ausweiten. BMW, Daimler, Ford und Opel betonen, sich an alle gültigen Vorgaben gehalten zu haben.

Der ADAC, Umweltverbände und die Grünen bemängeln seit Jahren, dass die von den Herstellern angegebenen Werte über den Schadstoffausstoß nicht der Realität entsprechen. Die Bundesregierung selbst hatte bereits im Sommer in einem Mahnbrief an die Europäische Union geschrieben, bei Autos der modernsten Diesel-6-Norm würden vorgeschriebene Grenzwerte im Echt-Betrieb um mehr als das Sechsfache überschritten. Die EU-Kommission verschleppt eine Neuregelung für realitätsnähere Prüfungen jedoch schon seit 2011. "Der Verbraucher weiß nicht, wie hoch der Schadstoffausstoß seines Autos wirklich ist", sagte Reinhard Kolke, Leiter des ADAC-Technikzentrums. "Wir brauchen so schnell wie möglich ein europäisches Regelwerk für die Messung der Realemissionen." Die EU will ein neues Verfahren aber erst 2017 einführen.

VW droht nun in Amerika eine Flut von Sammelklagen. Die Rating-Agenturen S&P, Fitch und Moody's warnten den Konzern vor der Herabstufung der Kreditwürdigkeit.

NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) forderte Entschädigungen für Fahrer auch in Deutschland: "Verkehrsminister Dobrindt muss einen verbindlichen Rahmen mit VW vereinbaren, wie die Betroffenen entschädigt werden müssen", sagte Kutschaty unserer Redaktion. "Wir brauchen dringend ein richtiges Unternehmensstrafrecht, um gegen schwere Wirtschaftskriminalität vorgehen zu können. Jetzt sollen nur die Kunden aus den USA Schadensersatz bekommen. Die deutschen sollen in die Röhre gucken. Und warum? Weil Deutschland den Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität komplett verschlafen hat", kritisierte Kutschaty.

Die EU-Kommission fordert von Deutschland eine vollständige Aufklärung, wie viele Fahrzeuge in der EU mit manipulativer Software ausgestattet wurden. Binnenmarktkommissarin Elzbieta Bienkowska erklärte: "Unsere Botschaft ist klar: null Toleranz bei Betrug und absolute Einhaltung der EU-Regeln."

(RP)
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