Analyse Warum der Westen so hilflos gegen Putin ist

Berlin · In der Ukraine-Krise lehnen die Westmächte ein militärisches Eingreifen ab, auch Waffen sollen nicht geliefert werden. Die bisherige Strategie, den russischen Präsidenten mit diplomatischen Mitteln und Sanktionen unter Druck zu setzen, ist nicht aufgegangen.

Die Politiker im Westen haben dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mehrfach vorgeworfen, dass seine Annexion der Krim und das Vorgehen der prorussischen Separatisten in der Ost-Ukraine eine Verhaltensweise aus dem 20. Jahrhundert, aus dem Zeitalter des Kalten Krieges sei. Das Argument ist so richtig wie wirkungslos. Es ist, als weise man den schlimmsten Rüpel an der Schule sanft darauf hin, dass man sich gegenseitig mit Respekt behandeln solle.

Die Worte der Westmächte verpuffen bei Putin. Bislang konnten ihn auch die Sanktionen nicht zu einem Einlenken bewegen.

Grundsätzlich stehen dem Westen drei Strategien offen, auf den offensichtlich von Putin geschürten Bürgerkrieg in der Ukraine zu reagieren: Sie können ihre Politik der Diplomatie und der internationalen Isolierung fortsetzen, sie können weiter an der Sanktionsschraube drehen, und sie könnten theoretisch in verschiedenen Formen militärisch eingreifen, was aber bislang als ausgeschlossen gilt.

Der Versuch, den Konflikt auf diplomatischem Weg zu lösen, ist bislang gescheitert. Das einzig Positive, das die Diplomaten schmallippig vermerken, ist der Hinweis, dass es gut sei, weiterhin Gesprächsfäden nach Russland zu haben. Doch der russische Präsident agiert ganz offensichtlich doppelzüngig. Noch in der vergangenen Woche hatte Putin bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko erklärt, alles für den Frieden tun zu wollen. Einen Tag später kamen die Berichte über russische Soldaten, die mit den prorussischen Separatisten kämpfen. Entsprechend desillusioniert äußerte sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier. "Alle Hoffnungen, die wir hatten, dass das direkte Gespräch zwischen Präsident Poroschenko und Präsident Putin zu einer Entschärfung der Lage beiträgt, sind getäuscht worden", sagte er.

Nun gilt für die Diplomatie wie für Sanktionen, die nicht wirken, dass man dennoch nicht weiß, wie viel schlimmer die Lage ohne diese Maßnahmen wäre. Nur so ist zu erklären, dass der Westen nun erneut auf Sanktionen setzt.

Bei den Sanktionen stellt sich die Frage, wer den längeren Atem hat. Ein Wirtschaftskrieg schadet beiden Seiten, Russland und dem Westen. "Putin wird das ökonomisch nicht durchhalten können", ist Axel Schäfer, Fraktionsvize der SPD im Bundestag, überzeugt. Bislang waren aus der russischen Bevölkerung eher trotzige Reaktionen zu hören, wonach man angesichts der Sanktionen die "guten russischen Produkte" konsumieren wolle. Wie sich die Stimmung bei Engpässen verändert, bleibt abzuwarten. Die Frage ist, wie lange es Putin gelingt, die Bevölkerung und die Oligarchen bei Laune zu halten. Wenn die Russen bei ihren internationalen Finanzgeschäften ausgebremst werden, könnte dies auch in der Führungsschicht zur Unruhe führen. Aktuell ist im Gespräch, einen Importstopp für Kaviar, Diamanten und Wodka aus Russland zu verhängen. Doch auch die EU tut sich äußerst schwer konsequent zu sein. So hatte man bei der letzten Runde der Sanktionen den Franzosen angesichts ihrer ökonomischen Schwierigkeiten ihr Rüstungsgeschäft mit Moskau gelassen.

Ein militärisches Eingreifen in den Ukraine-Konflikt schließen die Westmächte aus. Aus diesem Grund wird die Nato auch dem Drängen der Ukraine auf eine Aufnahme in die Militärallianz nicht nachgeben. Dann wäre der Bündnisfall gegeben, und die Nato müsste die Unversehrtheit der ukrainischen Grenzen verteidigen. Damit stünde die Nato in einem bewaffneten Konflikt mit Russland, den sie während des kalten Krieges aus gutem Grunde vermieden hat.

Der Ukraine-Konfikt droht nicht nur die alte Ost-West-Konfrontation des vergangenen Jahrhunderts wiederzubeleben. Er bremst auch die Weltgemeinschaft aus, beim entschlossenen Vorgehen in anderen Krisenregionen, beispielsweise gegen den "Islamischen Staat" (IS) im Irak und in Syrien. Katja Kipping von der Linkspartei sagt, es sei "vollkommen absurd", dass sich die USA und Russland einen "idiotischen Konflikt" um die Ukraine lieferten und damit eine multilaterale Verständigung bezüglich des Terrors des IS im Nahen Osten blockierten.

(jd / qua)
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