Analyse Warum sich Obama aus dem Syrien-Konflikt heraushält

Washington · Kritiker fordern mehr Einsatz vom US-Präsidenten. Doch der agiert als kühler Realpolitiker, der sich zudem in neuer Bescheidenheit übt.

Als das US-Kabinett im vergangenen Frühjahr über Waffen für die syrischen Aufständischen diskutierte, war Barack Obama Insidern zufolge "the last man standing". Der Letzte also, der darauf beharrte, kein Kriegsgerät an die Rebellen zu liefern. Während das Pentagon und der Geheimdienst CIA grünes Licht signalisiert hatten, bestand der Präsident auf einem Embargo. Erst im Juni 2013 ließ sich Obama vom Gegenteil überzeugen und schwenkte um — wenn auch halbherzig.

Nach einem Fazit der "New York Times" ist die Hilfe für die Rebellen bis heute sehr begrenzt geblieben. Das mag an der Befürchtung liegen, dass Maschinengewehre, Granatwerfer und Munition für die eher pro-westlichen Teile der Opposition in die Hände radikal-islamischer Milizen fallen könnten. Natürlich steckt alten Hasen wie dem Vizepräsidenten Joe Biden noch die Erfahrung Afghanistans in den Knochen: Indem Washington die islamistischen Rebellen hochpäppelte, um die Sowjetunion zum Abzug zu zwingen, begünstigte es ungewollt eine Entwicklung, in deren Ergebnis Al Qaida-Fanatiker am Hindukusch ungestört für Terroranschläge trainieren konnten. Aleppo, lautet die Schlussfolgerung, darf kein zweites Kandahar werden. Unausgesprochen heißt das: lieber mit Syriens Präsident Baschar al Assad Vorlieb nehmen.

Doch entscheidend ist die Weltsicht Obamas. Und die lässt sich als feste Überzeugung eines kühlen Realpolitikers beschreiben. Dass Assad die Macht aufgeben müsse, hat Obama oft genug verlangt. Dass die Syrien-Gespräche in Montreux zu einer Übergangslösung ohne den Diktator führen sollen, ist offiziell erklärtes Ziel, ausdauernd wiederholt von Außenminister John Kerry. Es ändert aber nichts daran, dass die USA kaum etwas tun werden, um die Kräftebalance militärisch zugunsten der Regimegegner zu kippen. Wer das Blatt wirklich wenden wolle, gibt Obama in einem Gespräch mit dem "New Yorker" zu verstehen, müsse schon bereit sein zu einer Intervention wie 2003 im Irak. Alles andere sei magisches Denken, so Obama.

Ein solches Szenario aber findet in einem ernüchterten, auf sich selbst fixierten Amerika keine Mehrheiten — weder im Kongress noch in Meinungsumfragen. Es ist ja nicht nur der Präsident, der sich in neuer Bescheidenheit übt. "Womit wir es zu tun haben", analysiert Obama das syrische Konfliktknäuel, "ist eine autoritäre, brutale Regierung, die alles tut, um an der Macht zu bleiben, und eine Opposition, die desorganisiert, schlecht ausgerüstet, schlecht ausgebildet und in sich gespalten ist." Angesichts der Fakten sei Obamas beste Chance, mit jenen zu arbeiten, die den größten Einfluss hätten: also sowohl mit Iranern und Russen, den Stützen Assads, als auch mit den die Rebellion finanzierenden arabischen Golfstaaten.

(RP)
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