Analyse Was deutsche Hochschulen brauchen

Berlin · Der Bundesrat hat eine Lockerung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern beschlossen. Jetzt ist der Weg frei für mehr Bundesmittel für die Unis. Doch den Rektoren geht es um weit mehr - der Wettbewerb ist hart.

In Deutschland sind in diesem Jahr so viele Studenten an Hochschulen eingeschrieben wie niemals zuvor. Rund 2,7 Millionen angehende Akademiker sind immatrikuliert, im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 81 500 Studenten (3,1 Prozent). Für die Hochschulen und die Politik in Bund und Ländern ergibt sich ein Finanzierungsproblem: Sie sind dem Ansturm auf die Hörsäle kaum gewachsen. Verschärft wird die Entwicklung dadurch, dass kein deutsches Bundesland mehr Gebühren für das Erststudium erhebt.

Wie finanzieren sich also die Universitäten und was bedeutet das für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschulen im internationalen Vergleich?

Aus dem Bundesforschungsministerium von Johanna Wanka (CDU) heißt es stets, dass nun die Hochschulfinanzen in ruhigeres Fahrwasser kommen werden. Hintergrund sind die gestern im Bundesrat verabschiedeten Gesetze zur Unterstützung von Hochschulprojekten durch den Bund sowie für eine Bafög-Reform.

Einerseits hat die Länderkammer zugestimmt, dass der Bund künftig sämtliche Bafög-Kosten für Schüler und Studenten übernimmt. Die Länder, die bislang 35 Prozent zahlten, sparen so jährlich rund 1,2 Milliarden Euro. Zudem soll der Bafög-Höchstsatz im Herbst 2016 von 670 auf 735 Euro steigen.

Verknüpft damit war eine Grundgesetzänderung, die das bisherige Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern lockert. Nun darf Bundesministerin Wanka dauerhaft Geld für Projekte an Unis geben, die von überregionaler Bedeutung sind. Bislang war es dem Bund wegen der 2006 verabschiedeten Föderalismusreform nur möglich, Geld zeitlich begrenzt, etwa für Forschungsprojekte, beizusteuern. Wanka sagte gestern zu den Beschlüssen: "Die Grundgesetzänderung und die Bafög-Reform werden weit über diese Legislaturperiode hinaus ihre Wirkung entfalten." Mit der Lockerung des Kooperationsverbots könnten Bund und Länder Hochschulen ebenso fördern wie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, betonte Wanka. Das biete Vorteile für die Planungssicherheit der Hochschulen, um Programme wie die Exzellenzinitiative (Förderung von "Elite-Unis" und ausgewählten Projekten) längerfristig anlegen zu können, neue Planstellen zu schaffen oder in die Qualität des Studiums zu investieren.

Dass die Qualität der deutschen Studiengänge in vielen Disziplinen verbessert werden muss, sieht man beim Bundesministerium. Die Abbrecherquoten seien zu hoch, heißt es. Doch den Hochschulen fehlte bislang das Geld dafür, die Länder waren überlastet. In einem wahren Kraftakt rauften sich daher schon Ende Oktober Bund und Länder zusammen. Sie schnürten für drei wesentliche Säulen der Hochschulpolitik - den Hochschulpakt für mehr Qualität, die Exzellenzinitiative sowie den Pakt für Forschung und Innovation - ein gigantisches Paket in Höhe von 25,2 Milliarden Euro.

Der Clou: Mit dem Hochschulpakt werden massenweise neue Studienplätze geschaffen, zehn Prozent der dafür reservierten Mittel sollen zudem in die Verbesserung der Qualität investiert werden, um die teils hohen Abbrecherquoten zu reduzieren. Mit dem Programm sollen bis 2020 insgesamt 760 000 mehr Studierende an den Unis eingeschrieben sein können als noch im Vergleichsjahr 2005. 2023 läuft der Hochschulpakt aus, bis dahin werden der Bund 20 Milliarden und die Länder 18 Milliarden Euro investiert haben.

Neben Exzellenzinitiative und Forschungspakt war für die Hochschulfinanzierung zudem die Einigung bei den sogenannten Programmpauschalen entscheidend, die im kommenden Jahr ausgelaufen wären: Für ab 2016 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekte werden die Länder künftig zwei Prozent der Fördersumme dazugeben; der Bund legt noch einmal 20 Prozent drauf. Für die Unis ist diese Overheadpauschale deswegen so wichtig, weil sie nicht zweckgebunden ist.

Doch Ernst Schmachtenberg, Rektor der RWTH Aachen, kritisiert, dass der Overheadsatz von 22 Prozent nicht bei allen Projekten reichen werde, um die damit verbundenen Kosten zu decken. "Wenn beispielsweise viel Energieeinsatz oder besondere Infrastruktur notwendig sind, dann liegen die sogenannten Gemeinkosten weit über 22 Prozent", sagt Schmachtenberg. Das gelte besonders für die laborintensive Forschung in den Ingenieur- und Naturwissenschaften.

Für den Wissenschaftsstandort Deutschland bedeutet die zerfurchte Finanzierungsgrundlage der Hochschulen unterdessen klare Wettbewerbsnachteile. Viel zu lange mussten die Universitäten ungeachtet allgemeiner Kostensteigerungen mit denselben Etats auskommen, weil die Haushälter der Länder das Geld beisammenhielten. In der Spitzenforschung half die DFG, ansonsten sah es weitgehend mau aus. Und so ist es kein Wunder, dass die vielen luxuriös ausgestatteten Unis in den USA oder England deutschen Konkurrenten häufig voraus sind.

Auch Schmachtenberg warnt vor Wettbewerbsnachteilen durch Unterfinanzierung: "Eigentlich wäre es die Aufgabe der Länder, die Grundausstattung der Universitäten so einzurichten, dass diese ihrem Forschungsauftrag nachkommen können." Aber es sei erkennbar, dass die Bundesländer überfordert sind, wenn sie alleine die Aufgabe schultern sollen, einige Universitäten so auszustatten, dass diese im internationalen Wettbewerb der Spitzenforschung Schritt halten können mit Einrichtungen wie dem MIT (Boston), dem Imperial College (London) oder der Zürcher ETH, sagte Schmachtenberg. Er macht sich nun Hoffnung, dass die künftig verbesserte Kooperation zwischen Bund und Ländern dazu beiträgt, dass "auch einigen Universitäten in Deutschland wieder der Anschluss an die internationale Spitze gelingt".

(jd)
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