Analyse Was wir an Ostern voneinander lernen

Protestantischer Karfreitag, katholischer Ostersonntag? Die Zeiten solcher Gegensätze sind vorbei, sagen der Ruhrbischof und der rheinische Vizepräses. Im Gegenteil: Ostern - das ist auch konfessioneller Austausch.

Karfreitag den Protestanten? Die Osternacht den Katholiken? Diese konfessionell regierte Trennung existiert in dieser Schärfe längst nicht mehr. So macht die Karfreitagsliturgie in der katholischen Kirche deutlich, "dass auch für uns der Karfreitag ein wichtiger Feiertag ist. Wir nehmen auch die Stille des Karsamstags ernst, ehe wir in den Jubel zu Ostern ausbrechen", sagt Franz-Josef Overbeck.

Für den Ruhrbischof bleibt die "Überwindung des Todes ein Ereignis, das wir uns nicht ausdenken können, sondern das durch eine freie Tat Gottes geschieht. Das zu verstehen, ist nicht nur eine intellektuelle Herausforderung des Christentums, sondern gehört zum Glauben." So sei der Glaube Argumenten zwar durchaus zugänglich, die aber genau diese Spannung aushalten müssen: "zwischen der Freiheit der Zuwendung Gottes zu uns - wir nennen das Gnade und Geschenk - und der Freiheit des Menschen, dies anzunehmen". Darum ist für den 49-Jährigen die Osterbotschaft "eine Botschaft des Lebens an den Rändern des Todes".

Diese Erfahrung ist nicht allein dem theologischen Studium geschuldet. Sie entspringt seiner eigenen Lebensgeschichte. 38 Jahre alt war Overbeck, als er an Krebs erkrankte. Für ihn wurde das zu einer "riesigen Glaubens- und Lebenskrise". Es ging auf den Tod, sagt er. Diese Krankheit habe ihm damals den noch ungebrochenen Optimismus auf das Leben genommen. Und ihm sei "klar geworden, dass es kein Leben gibt, das sich nicht auch mit der Radikalität der Endlichkeit auseinandersetzt. Das betraf damals sowohl meinen körperlichen Zustand als auch im Nachhinein die Weise meines Glaubens. Ich habe längere Zeit nicht mehr beten können; das war eine gefühlte Nicht-Nähe Gottes."

Heute weiß der Ruhrbischof, dass aus einer solch existenziellen Erfahrung von Leid sich die Perspektiven immer erst beschreiben lassen, wenn diese Phase durchlebt ist. Aber: "Für mich war das eine positive Erfahrung und eine Reifung im Glauben, die ich nicht missen möchte. Dennoch möchte ich nicht von der Sinnkategorie eines solchen Leids reden." In der Osterausgabe der Bistumszeitung hat Bischof Overbeck auch davon erzählt und den Beitrag mit der Zeile überschrieben: "Ich hadere nicht." Das Osterfest als Trostspender? Es ist mehr eine riesige Herausforderung an das Gottesbild selber, sagt Overbeck. "Darin liegt das abgründige Geheimnis Gottes, das sich nie entschlüsselt. Auf der anderen Seite kann es Trost spenden, weil Gott größer ist als alles, was wir uns denken können."

Was zum Osterfest für Franz-Josef Overbeck unbedingt gehört, sind die Erinnerungen an seine Kindheit. Vor allem an die Ostergottesdienste mit dem großen Osterfeuer vor der Kirche. Die Messdiener hatten dabei die Aufgabe, das Feuer nicht erlöschen zu lassen. "Das war nicht immer ganz leicht, und so musste manchmal mit dem Streichholz noch ein wenig nachgeholfen werden." Am Sonntag habe es dann noch ein großes Osterfeuer auf dem elterlichen Hof gegeben.

Diese Tradition gibt es immer noch. Und wenn es sich irgendwie einrichten lässt, fährt Bischof Franz-Josef Overbeck am Ostersonntag zu seiner Familie nach Marl, zurück in die unbeschwerten Tage seiner Kindheit und einer ungetrübten, frohen Osterbotschaft.

Die Hoffnung gehört zum Glauben, so Overbeck. Aber er hat auch erfahren müssen, dass "zum Leben immer auch der Abgrund gehört". Lothar Schröder

Die Katholiken sind's gewesen! Das ist eine Quintessenz, wenn Christoph Pistorius über den Wandel redet, den Ostern in seiner Kirche und für ihn persönlich erfahren hat. Denn Ostern - das war für Pistorius, seit Februar Vizepräses der rheinischen Kirche, lange Zeit Feiertagsroutine. Zumindest der Form nach: "Anfangs hat meine Gemeinde in Trier, in der ich aufgewachsen bin, den Ostersonntag gefeiert wie einen normalen Sonntag: mit einem klassischen Gottesdienst in der Konstantin-Basilika um 10 Uhr", erinnert sich Pistorius. Das alles sei vielleicht 30, 35 Jahre her: "Der Wandel setzte auch mithilfe der katholischen Geschwister ein. Es gab eine hilfreiche Neugierde, wie es andere machen." Von denen gab es in der Bischofsstadt Trier viele, viel mehr als Protestanten. Auch Mutter Pistorius war katholisch.

Die Erkenntnis hinter dem evangelischen Bewusstseinswandel in Sachen Ostern sei gewesen: "Eine so großartige Erfahrung, die die Grenzen von Raum und Zeit aufhebt, kann man nicht einfach abarbeiten. Dafür braucht man andere Zugänge und andere Formate." Für Pistorius heißt das vor allem Ansprache der Sinne - "das Osterfeuer zum Beispiel, die Osterkerze ober überhaupt die Osternacht zu feiern".

Aller Anfang freilich ist schwer. Der "erste Versuch einer Osternacht", sagt Pistorius, "fand bei uns am Samstagabend um 21.30 Uhr statt". Das habe ihn nicht überzeugt: "Gerade wenn es durch die Weitergabe des Lichts und die Kerzen in der Kirche schön hell war, sollte man ins Bett gehen?" Pistorius ist deshalb überzeugter Anhänger der Lösung "Osternacht am frühen Morgen" inklusive anschließendem Frühstück, die die Gemeinde aber erst Jahre später gewagt habe: "Und das funktioniert."

Nichts ist gewiss an Ostern - Äußeres ohnehin nicht, das ist schließlich Menschenwerk, aber auch vermeintliche Klarheiten der Existenz, sagt der Vizepräses: "Wir sagen ja: Nichts ist so sicher wie der Tod. Ostern macht dahinter ein Fragezeichen. Danach ist nichts mehr sicher, danach ist sozusagen auch niemand mehr vor Gott sicher."

Der 52-Jährige weiß, wovon er spricht - nicht nur als ehemaliger Gemeindepfarrer, sondern als Betroffener. Seine Frau bekam vor Jahren eine Krebsdiagnose. An einem Gründonnerstag. "Die Prognose hieß: ein halbes Jahr", erinnert sich Pistorius. Das habe auch sein Ostern verändert: "Man merkt ganz neu, was einen das an Kraft kostet, was es aber auch an Kraft gibt, einem Menschen die Auferstehungsbotschaft zuzusagen - egal, was kommt." Er habe die Verantwortung stärker gespürt, diese Botschaft weiterzusagen, "und zwar so, dass sie nicht leichtgängig daherkommt". Am Ende behielten die Ärzte nicht recht - "meine Frau lebt immer noch", sagt Pistorius und fügt hinzu: "Über Gewissheiten und Unbeschwertheit rede ich heute anders."

Ostern ist für ihn daher auch die Zumutung, kindlich zu vertrauen. Der Protestantismus habe freilich "eine intellektuelle Facette, die manchmal den Zugang zu dieser anderen Seite, zum Fallenlassen, erschwert: Es ist nicht alles erklärbar, und das kriege ich intellektuell nicht in den Griff. Muss ich aber auch nicht." Die großen Kirchen sind für Pistorius dabei eine Art Lerngemeinschaft: "Viele evangelische Gemeindegruppen haben gemerkt, dass die reine Textarbeit Wünsche offenlassen kann. Umgekehrt ist der Stellenwert der Bibel in der katholischen Kirche deutlich gestiegen." Sein Fazit: "Es ist gut, wenn sich Protestanten und Katholiken ergänzen."

Durchaus eine Herausforderung vor Ort. Trier lässt grüßen. Frank Vollmer

(RP)
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