Luray Wenn US-Bürger nach der Brechstange rufen

Luray · Ein Streifzug durch den Industrie-Bundesstaat Virginia auf den Spuren des Phänomens Donald Trump.

Der Schornstein thront über Luray wie der schiefe Turm über Pisa. Ringsum leere Fabrikgebäude, von ockerbraunen Fassaden blättert die Farbe, im Hof vergammeln ausrangierte Drehsessel vor einer verschlossenen Tür, über der das Ladenschild einer Antiquitätenhandlung baumelt. Früher war hier eine Gerberei angesiedelt. Dann fiel der Freihandel über Luray her, und nun steht der backsteinrote Schornstein an der Tannery Road symbolisch für den industriellen Niedergang.

Das mit dem Freihandel sagt Barry Presgraves nicht wörtlich, aber darauf läuft es hinaus, wenn er gegen Billigproduzenten aus China und Mexiko wettert, die Luray das Wasser abgegraben hätten. Heutzutage freut sich der Bürgermeister schon, wenn er einen Friseursalon oder die Filiale einer Handykette eröffnen darf. Presgraves wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich mal wieder einen Industriebetrieb einzuweihen. Deshalb, sagt er, sei er dafür, es einmal mit Donald Trump im Weißen Haus zu versuchen. Im Page County, dessen Hauptstadt Luray ist, sehen es viele ähnlich. Dort, im Nordwesten Virginias, haben die Wähler bei den Primaries der Republikaner zu 51 Prozent Trump ihre Stimme gegeben.

"Ein Milliardär ist genau das, was wir jetzt brauchen", sagt Presgraves. Gewiss, Trump habe seine Schwächen, wie jeder andere auch. Hauptsache, er sei kein Politiker. Auf Politiker ist Presgraves nicht gut zu sprechen."Die tischen dir am Freitag ein Märchen auf, am Sonnabend kommst du ihnen auf die Schliche, und am Sonntag belügen sie dich erneut." Damit seine Besucher gar nicht erst auf die Idee kommen, ihn, den Mayor, dem Politikbetrieb zuzuordnen, erzählt er von seiner langen Karriere als Manager eines Dienstleistungsunternehmens. Für seine Dienste als Bürgermeister bekomme er monatlich 600 Dollar.

Blättert Presgraves in Gedanken in der Chronik des Fünftausend-Einwohner-Städtchens, packt ihn schnell die Wehmut. Früher gab es drei größere Fabriken, in denen jeder Erwerbsfähige Arbeit finden konnte. In der Gerberei, Virginia Oak, waren zu besten Zeiten 300 Leute beschäftigt, in der Stoffherstellung von Luray Textile 600, in einem Werk der Jeansmarke Wrangler 350. Alles vorbei. Hier sehnt man sich nach Trumps Protektionismus.

Die Arbeitslosenquote im Page County liegt bei 7,7 Prozent, knapp drei Prozentpunkte überm US-Durchschnitt. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Heute, sagt Gina Hilliard, die Chefin der lokalen Handelskammer, bekomme hier kaum einer mehr als den Mindestlohn, sofern er eine Anstellung finde. Wegen der Malaise also setzt Presgraves auf Trump. Gewiss, dass er immer so angeben müsse, mit seiner Boeing, seinen Wolkenkratzern, seinen Golfclubs, das gefalle ihm auch nicht, sagt er. Aber irgendwie fasziniert es ihn auch. Jedenfalls solle dieser ruppige Typ "ruhig mal die Brechstange ansetzen".

Auch in Smithfield, rund 300 Kilometer in Richtung Südosten, hat der Tycoon die Vorwahlen gewonnen, wenn auch knapper als in Luray, mit 41 Prozent. Die beschauliche Stadt hat eine kleine Revolution hinter sich. Und als sie heraufzog, warnten die Skeptiker, dass nichts bleiben würde, wie es war. Smithfield Foods, der weltgrößte Schweinefleischkonzern, vom Volksmund nur Foods genannt, wurde vor zweieinhalb Jahren von Investoren aus China gekauft.

"Was haben die Leute damals nicht alles befürchtet, eine Entlassungswelle, chinesische Billigarbeiter, die in Scharen einschweben würden", erinnert sich Carter Williams, der Bürgermeister, dessen Krawatte ein anstecknadelgroßes Messingschwein ziert. Sein leises Lächeln lässt schon ahnen, dass die Pointe gleich folgt. "Alles ist geblieben, wie es mal war, wirklich alles. Außer dass sie bei Foods noch mehr Gewinn machen als früher." Warum Smithfield dennoch "Trump Country" ist? Komisch, antwortet der Bürgermeister, er finde keinen, der sich dazu bekenne.

Irgendwann findet man auch in Smithfield einen Wähler, der einräumt, ein Trump-Fan zu sein. Er heißt Bruce Meyer, ist 47 Jahre alt, arbeitet als Therapeut in einem Krankenhaus. "Trump ist ein Kapitalist", stellt Meyer heraus. Und es sei der Kapitalismus gewesen, der die Menschen aus der Knechtschaft von Königen und Feudalherren befreite. Der wahre Kapitalismus, schiebt er hinterher, "nicht die Vetternwirtschaft, wie wir sie aus Washington kennen". Dem Unternehmer Trump jedenfalls hat Meyer jahrelang zugeschaut in dessen Reality-Show "The Apprentice". Da saß einer im Chefzimmer, hörte sich verschiedene Meinungen an, wog ab und traf am Ende eine Entscheidung - so hat es Meyer erlebt, deshalb glaubt er, ihn zu kennen. Donald Trump, schwärmt er, verfüge über Erfahrungen, wie kein anderer Kandidat sie bei diesem Rennen um die Präsidentschaft besitze.

(RP)
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