Bürgermeister-Wahl Wer folgt auf Wowereit?

Berlin · Die Berliner SPD sucht den neuen Regierenden Bürgermeister per Urwahl. Heute wird das Ergebnis erwartet. Die Kandidaten blieben blass.

Würden die drei Sozialdemokraten Jan Stöß, Raed Saleh und Michael Müller irgendwo fern der Hauptstadt durch eine Fußgängerzone laufen, ihnen dürfte kaum jemand Aufmerksamkeit schenken. Liefe der schillernde Klaus Wowereit nebenher, wäre das sicher anders. Dabei wird einer der drei Genossen tatsächlich das Amt des Regierenden Bürgermeisters in Berlin übernehmen, wenn Wowereit am 11. Dezember nach 13 Jahren an der politischen Spitze der Hauptstadt zurücktreten wird.

Wer das sein wird - Stöß, Saleh oder Müller -, entscheidet sich am heutigen Samstag voraussichtlich zwischen 14 und 16 Uhr. Dann rechnet die Berliner SPD mit einem ersten Ergebnis ihrer Mitgliederabstimmung, zu der die 17 200 Genossen in der Hauptstadt im vergangenen Monat aufgerufen waren.

Bis Anfang der Woche hatten aber erst 8000 Sozialdemokraten ihre Stimme für einen der Kandidaten abgegeben, die Partei setzte sich eine Zielmarke von mindestens 60 Prozent Wahlbeteiligung.

Das bisher geringe Interesse der Berliner Sozialdemokraten an ihrem Stimmrecht zeigt, dass keiner der drei Kandidaten die Seele der Partei wirklich getroffen hat. Und dass keiner der drei über annähernd so viel Charisma verfügt wie Wowereit. Beim Glamour-Faktor, stellte Michael Müller einmal selbstironisch fest, gebe es bei ihm noch Luft nach oben. Und die Berliner Bürger trauen in Umfragen weder dem 49-jährigen Senator für Stadtentwicklung noch seinen Konkurrenten, SPD-Landesparteichef Jan Stöß und SPD-Fraktionschef Raed Saleh, das Amt des Regierenden zu.

Doch der Wahlkampf war schwierig, denn die Kontrahenten hatten ein gemeinsames Problem: Niemand wollte sich zu stark von Wowereit distanzieren, niemand wollte ob des gemeinsamen Parteibuchs zu sehr auf die anderen einhacken. Bei der Entscheidung wird es daher wohl mehr auf die persönlichen Verbindungen der Kandidaten als auf die Inhalte angekommen sein.

Die Berliner SPD gilt als links, was dafür sprechen würde, dass ihr Vorsitzender Jan Stöß sich am Ende durchsetzt. Der 41-jährige Verwaltungsrichter wirbt für sich selbstbewusst mit dem Satz "Mut zur Veränderung". Er will Milliarden investieren in Infrastruktur und Personal in der Hauptstadt, deren Verwaltung mehr schlecht als recht funktioniert. Berlin ist allerdings auch chronisch knapp bei Kasse und hat viele Arbeitslose. Mehr Arbeitsplätze und bezahlbare Mieten sind daher für Stöß Thema - ebenso für die Konkurrenten.

Allerdings hätte auch die Personalie Raed Saleh an der Spitze der Hauptstadt ihren Reiz. Der 37-jährige bisherige Fraktionschef wäre als gebürtiger Palästinenser der erste Landeschef Deutschlands mit einem ausländischen Hintergrund. 26 Prozent der Berliner sind Migranten. Saleh wirkt besonders bei Themen wie sozialem Aufstieg durch Bildung glaubwürdig. Er hat ein Medizinstudium abgebrochen und ist heute Mitinhaber einer Firma für Druckaufträge. Saleh gilt nicht gerade als rhetorisches Talent, allerdings hat er den Rückhalt einflussreicher Parteifreunde wie des Neuköllner Bürgermeisters Heinz Buschkowsky.

Wenn aber Wowereit doch noch ein Wörtchen mitzureden hätte, wäre wohl Michael Müller sein Wunschnachfolger. Der unscheinbare Stadtentwicklungssenator ist der einzige Kandidat "mit Regierungserfahrung", wie er selbst gern betont. Er hatte seinen Hut erst einige Tage nach Wowereits Rücktrittserklärung in den Ring geworfen. Wowereit und Müller sind seit Jahren eng befreundet. Müller lernte im elterlichen Betrieb das Druckerhandwerk, er kommt aus der Arbeiter-Wohngegend Tempelhof. Neben Wowereit wirkt er wie der brave Schwiegersohn, will das aber zu seinem Vorteil machen.

Müller will sich von Wowereits Berlin-Politik zwar nicht distanzieren. "Wir haben viel zusammen erreicht", sagt er. "Ich wünsche mir aber ein neues Selbstbewusstsein der Berliner." Mittlerweile gilt Müller als Favorit - zumindest bei Wirtschaftsbossen und Gewerkschaftern. Das Rennen ist aber noch offen, auch eine Stichwahl ist möglich. Deren Ergebnis würde am 6. November bekanntgegeben.

Und als ob die Berliner SPD derzeit nicht schon in genug Turbulenzen steckte, gab es für die Partei gestern noch einen Paukenschlag: Berlins beliebtester Politiker, der bisherige Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos), kündigte an, am 11. Dezember gemeinsam mit Wowereit sein Amt zur Verfügung zu stellen. Nußbaums Verhältnis zu Müller und Stöß gilt als zerrüttet, und so geht der Jurist nun wohl lieber selbst, bevor er vom neuen Regierungschef vielleicht nicht in den nächsten Senat berufen wird. Auf Nußbaums Sympathiebonus kann der neue SPD-Regierende aber nun auch nicht mehr bauen, um das entscheidende Rennen 2016 vorzubereiten: Denn dann dürfen auch wieder die Berliner Bürger über ihren Bürgermeister abstimmen.

(jd / rl)
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