Analyse Wer stoppt den Landes-Baubetrieb?

Düsseldorf · Die neuen Sicherheitssysteme beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes (BLB) greifen nicht. Ein aktuelles Baustellen-Desaster in Bielefeld zeigt, dass die Quasi-Behörde weiter ungebremst Steuermillionen verbrennt.

Mit dem neuen Debakel in Bielefeld macht der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes (BLB) alle Hoffnungen auf Besserung zunichte. Nach vertraulichen Unterlagen des Verwaltungsrates haben die Bauherren im Dienst des Landes die Kontrolle über den Neubau einer Fachhochschule in Bielefeld verloren: Die Kosten liegen jetzt schon um knapp 100 Millionen Euro über Plan. Mit diesem Geld hätten ein Jahr lang 20 000 kostenlose Kita-Plätze finanziert werden können. Auch die 8500 Bielefelder Studenten haben das Nachsehen: Statt wie versprochen seit Herbst in einem "modernen Zentrum für Wissenschaft mit erstklassiger Infrastruktur" (BLB-Pressetext) zu studieren, müssen sie noch mindestens bis Jahresende in abgehalfterten Ausweichquartieren arbeiten. Der BLB weiß selbst nicht mehr, wann der Campus fertig wird.

Die Bielefelder BLB-Blamage ist das jüngste Glied in einer bundesweit einmaligen Kette von Bauskandalen bei der Quasi-Behörde, für die sich neben dem Landesrechnungshof auch 18 Fahnder des Landeskriminalamtes und drei Wuppertaler Staatsanwälte interessieren. Sie ermitteln wegen des Verdachts auf Untreue und suchen nach mindestens 145 Millionen Euro Steuergeld, die seit 1999 auf noch ungeklärte Weise bei diversen BLB-Projekten versickert sind - das Bielefelder Projekt nicht einmal eingerechnet. Prominentester Fall ist das Duisburger Landesarchiv, bei dem die Kosten mit 190 Millionen Euro um 368 Prozent über Plan lagen.

Vor einem Jahr gelobte der BLB endlich Besserung. Am 8. April 2013 stellte sich Martin Chaumet als neuer Co-Chef vor. "Mit mehr Kontrolle und mehr Planung werden wir drastische Kostenüberschreitungen bei zukünftigen BLB-Projekten verhindern", versprach der ehemalige RWE-Manager auf einer Pressekonferenz. Aber schon das Versprechen wurde Opfer eines ironischen Zufalls - fast zeitgleich gab der Landesrechnungshof bekannt, dass dem BLB auch der Neubau des Landeskriminalamtes in Düsseldorf aus dem Ruder gelaufen war: Mit 106,7 Millionen Euro lagen die Kosten auch hier gut 40 Millionen Euro über Plan.

Zwischen Chaumets Besserungs-Gelöbnis und dem neuen Desaster in Bielefeld sieht der BLB keinen Widerspruch. "Das Projekt FH Bielefeld ist in den Jahren 2007 bis 2009 entwickelt und beschlossen worden und ist demnach von der Aussage vom 8. 4. 2013 nicht gedeckt", erklärt ein BLB-Sprecher. Trotzdem muss Chaumet bei seinem Amtsantritt schon von dem neuen Drama in Bielefeld gewusst haben: Wie aus internen Unterlagen hervorgeht, war der Aufsichtsrat spätestens im Januar 2012 über die erste Stufe der Kostenexplosion informiert. Prominent Stellung bezogen hat er dazu bis heute nicht.

Die Antrittsrede vor einem Jahr wäre eine gute Gelegenheit für mehr Transparenz gewesen. Auch bei der Frage, welche Auswirkungen die Bielefelder Mehrkosten auf das Vermögen des landeseigenen Betriebes haben, bleibt der BLB unklar. "In der Bilanz für das laufende Geschäftsjahr 2014 werden keine Sonderabschreibungen auf das Projekt FH Bielefeld enthalten sein", sagt der Sprecher. Aber in einer Vorlage für eine Sitzung des BLB-Verwaltungsrates am 28. Januar 2014 schlägt die Geschäftsführung dem Gremium mit Bezug auf den Bielefelder FH-Bau noch als Beschluss vor: "Mit dieser Investition ist eine außerplanmäßige Abschreibung in Höhe von voraussichtlich 75 Millionen Euro verbunden."

Das NRW-Finanzministerium, das im BLB-Verwaltungsrat vertreten ist, weist alle Schuld von sich: "Die Planung des Projekts erfolgte bereits zur Zeit der schwarz-gelben Vorgängerregierung. Bereits damals sind die entscheidenden Weichen falsch gestellt worden", so eine Sprecherin. Auch dieser Fall zeige, "wie wichtig die Neuausrichtungen des BLB in der bereits umgesetzten ersten Stufe und in der anlaufenden zweiten Stufe sind. Dazu gehört auch ein Frühwarnsystem für große Bauprojekte."

Während das NRW-Finanzministerium den BLB also auf gutem Weg sieht, arbeiten sich im Landtag seit drei Jahren Untersuchungsausschüsse an dem Thema ab. Der aktuelle wird auch in diesem Jahr wieder Politiker in den Zeugenstand zerren, die ihre Karriere längst hinter sich haben. Die ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) zum Beispiel, den ehemalige Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) und hochrangige Ex-Ministerialbeamte. Sie alle sollen mitverantwortlich für die offenbar nicht zu stoppende Kette der BLB-Skandale sein - entweder, weil sie den Landesbetrieb gegründet und nicht ausreichend kontrolliert haben, oder weil sie ihm Prestigeprojekte wie das Duisburger Landesarchiv abrangen, die durch kein Budget gedeckt waren.

1400 Akten liegen den Parlamentariern dazu vor, der aktuelle Ausschuss tagt seit Dezember. Ergebnis: null. Die bisherigen Zeugen litten fast ausnahmslos entweder an Gedächtnisverlust oder verweigerten die Aussage, weil die Staatsanwaltschaft bereits gegen sie ermittelt. Mangels Ergebnissen stehen die Aufklärer inzwischen selbst am Pranger. Der Steuerzahlerbund hält die Arbeit des 13-köpfigen Gremiums für überflüssig und würde das Budget - rund eine Million Euro pro Jahr - lieber einsparen.

Als der Ausschuss seine Arbeit aufnahm, war SPD-Obmann Hartmut Ganzke noch optimistisch: "Zum Bauskandal um das Landesarchiv in Duisburg werden wir im Mai einen Abschlussbericht präsentieren", kündigte er im November an. Ein Mitstreiter aus dem Ausschuss glaubt nicht mehr daran. "Die Wahrheit ist: Wir sind noch keinen Meter vorangekommen", sagt der CDU-Mann. Sein Vorschlag: "Wir sollten lieber einen Ausschuss gründen, der eine Alternative zum BLB erarbeitet." Interessante Idee. Bislang ist genau diese Frage im Landtag immer versickert. Warum eigentlich?

(RP)
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