Westen ohne Führung

Wer geglaubt hatte, Donald Trump würde als gewählter Präsident zunehmend in die Rolle des Staatsmanns schlüpfen, der sah sich nach der ersten Pressekonferenz eines Besseren belehrt. Aggressiv, autoritär, polternd wies er die Frager zurecht, schnitt einem kritisch nachfragenden CNN-Korrespondenten das Wort ab und belehrte die Medienvertreter über die Relevanz von Nachrichten, etwa über seine Steuererklärung.

Das alles lässt nichts Gutes für die vier kommenden Jahre ahnen. Mag sein, dass Trump keine Ideologie hat und heute vertritt, was er gestern verteufelte. Aber Stil, Auftritt und Haltung des künftig mächtigsten Mannes der Welt lassen befürchten, dass sich die amerikanische Demokratie im Niedergang befindet. Ein Umstand, der die Europäer und vor allem uns Deutsche nicht kalt lassen darf. Denn die USA sind nun mal als Führungsmacht der Garant für eine liberale und demokratische Welt. Wir dürfen am Ende nicht von autoritären Regimes wie denen in Russland oder China abhängig werden.

Leider kann Trump mit seiner jetzigen Haltung diese Rolle nicht auch nur ansatzweise ausfüllen. Es ist müßig zu fragen, ob der 45. Präsident die US-Demokratie schwächt oder ob er nicht vielmehr Ausdruck einer geschwächten Demokratie ist. Der erste Angriffskrieg eines Rechtsstaats, den sein Vorvorgänger Bush im Irak führte, der rechtsfreie Raum im noch immer bestehenden Gefangenenlager von Guantánamo und der Rückzug Obamas aus der Weltpolitik haben diese Schwächephase eingeleitet.

Dumm nur, dass keine andere Macht des Westens die USA ersetzen kann - weder die zerstrittene Europäische Union, noch das politisch schwache Japan und schon gar nicht die Mittelmacht Deutschland. Man kann nur auf die Selbstheilungskräfte der großen amerikanischen Nation hoffen. Doch da sieht es derzeit düster aus.

(kes)
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