Anhebung der Schuldengrenze Erzfeind Boehner schenkt Obama wichtigen Sieg

Washington · Nach mehreren glücklosen Monaten hat US-Präsident Barack Obama einen wichtigen innenpolitischen Erfolg errungen. Sein Gegenspieler John Boehner lässt den Poker über die Anhebung der Schuldengrenze ausfallen. Ein Sieg für Obama, doch Boehners Kalkül liegt auf der Hand.

 Obamas wichtigster Widersacher bei der "State-of-the-Union"-Adress: John Boehner, hier rechts neben Joe Biden.

Obamas wichtigster Widersacher bei der "State-of-the-Union"-Adress: John Boehner, hier rechts neben Joe Biden.

Foto: afp, JEWEL SAMAD

Es scheint, als hätte John Boehner das Parteibuch getauscht, als wäre er nicht Oppositionsführer, sondern Minister im Kabinett Barack Obamas. Jedenfalls klingt es so, wenn republikanische Hardliner gegen ihren Sprecher wettern, den Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, in einer Art, als hätte er kampflos die weiße Fahne gehisst. "Eine komplette Kapitulation. Der Speaker muss gehen, es ist höchste Zeit", schimpft Jenny Beth Martin, eine Hausfrau aus Atlanta, die 2009 die Tea Party Patriots mitgründete und dazu beitrug, die rechtskonservative Protestwelle ins Rollen zu bringen.

Jay Carney, Sprecher des Weißen Hauses, ist dagegen voll des Lobes über Boehner. Indem der Mann eingelenkt habe, habe er sich abgewandt von der "politischen Gratwanderung, die unsere Wirtschaft so unnötig belastet". Große Koalitionen gibt es nicht in Amerika. Aber der stille Pakt, den Boehner für kurze Zeit mit Obama schließt, kommt dem Zweckbündnis einer Koalition nahe. Mit der Rückendeckung von 28 Republikanern, meist aus dem wirtschaftsfreundlichen Partei-Establishment, entschied die Abgeordnetenkammer, die gesetzliche Schuldengrenze bis März 2015 anzuheben, ohne dafür Bedingungen zu stellen. Da bis auf zwei Ausnahmen auch sämtliche Demokraten mit Ja stimmten, reichte es für eine komfortable Mehrheit, 221 "Ayes" gegen 201 "Nays".

Keine Lust auf einen neuen Showdown

Dass sich der von den Demokraten dominierte Senat anschließen wird, gilt als sicher. Damit dürfte der amerikanische Bund auch nach dem 27. Februar, wenn der bisherige Spielraum ausgeschöpft ist, neue Schulden aufnehmen. Die USA bleiben solvent, und schon orakeln Optimisten, dass mit dem ungewohnten Verzicht auf ein Drama das Kapitel bisweilen kindisch anmutender Kraftproben abgehakt sei.

Seit der Kongresswahl im Herbst 2010, als die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus eroberten, wobei die Tea Party den Zenit ihrer Macht erreichte, bedienten sie sich der bis dahin nur wenig beachteten Schuldengrenze wie einer Brechstange, um die Regierung zu einem härteren Sparkurs zu zwingen. Zweimal ging die Rechnung auf, beim dritten Mal, im vergangenen Oktober, überreizte die Grand Old Party ihr Blatt jedoch.

Getrieben von Fundamentalisten in den eigenen Reihen, nahm Boehner einen Shutdown in Kauf, die Lähmung der Bundesbehörden. Die 16 Tage, in denen kein staatliches Darlehen genehmigt wurde, keine staatliche Statistik pünktlich erschien und Nationalparks ihre Pforten schließen mussten, ließen die Bürger am Verstand ihrer Volksvertreter zweifeln.

Erpressungstaktik

Die Schuld wiesen die Amerikaner mehrheitlich den Konservativen mit ihrer Erpressungstaktik zu, weshalb Boehner keine Lust verspürt, einen solchen Showdown zu wiederholen, zumal in einem Wahljahr. Wenn der Souverän im November über ein neues Parlament entscheidet, will der Sprecher den Fokus auf andere Themen richten: auf den labilen Aufschwung, den Fehlstart der Gesundheitsreform, womöglich auf Obamas zurückhaltende Außenpolitik, bei der konservativen Strategen das Bekenntnis zu amerikanischer Größe fehlt.

Das Spiel mit dem Feuer, das Spiel mit Uncle Sams Zahlungsfähigkeit, hofft er, möge der Wähler bis dahin gnädig verziehen haben. Deshalb der Rückzieher, der manchen in seiner Schnelligkeit überrascht. Anfangs wollte Boehner ein Ja zum höheren Schuldenlimit noch daran knüpfen, dass Obama einem umstrittenen Pipeline-Projekt grünes Licht gibt, mit dem Öl von den kanadischen Teersandfeldern zu den Raffinerien am Golf von Mexiko gepumpt werden soll. Am Ende ließ er sämtliche Forderungen fallen, sodass nur noch über die Schuldenobergrenze abgestimmt wurde.

(RP)
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