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Kolumne Berliner Republik Wie das Gewissen im Bundestag funktioniert

Wenn im Parlament in Berlin "Gewissensentscheidungen" fallen, dann geht es in der Regel um ethische Fragen. Dabei sieht das Grundgesetz doch vor, dass Abgeordnete grundsätzlich ihrem Gewissen unterworfen sind.

Den Parlamentariern in Berlin liegt zumeist ein Frohlocken in der Stimme, wenn sie über diese oder jene Gesetzesfrage sagen können, es handele sich um eine Gewissensentscheidung. Denn dann sind sie tatsächlich frei in ihrem Abstimmungsverhalten und müssen nicht darauf achten, welche Linie der Fraktionschef vorgibt.

Bei solchen Abstimmungen können sich Allianzen aus Abgeordneten von der CSU bis zur Linkspartei bilden. Nicht selten gehen die Debatten zu diesen Gesetzen als "Sternstunden des Parlaments" in die Geschichte ein. Das liegt daran, dass man auf das übliche polemische Hickhack zwischen Regierung und Opposition verzichten kann. Vielmehr tragen die Abgeordneten wohl durchdachte Argumente vor und offenbaren, wie ihr Gewissen tickt. Die Reden im Bundestag sind zudem geprägt von Respekt gegenüber den Andersdenkenden. Auch das ist etwas Besonderes im politischen Alltag. Solche Debatten gab es beispielsweise vor Jahren zur Präimplantationsdiagnostik, zur Spätabtreibung und zur Stammzellforschung. In allen Fällen wurde ein tragfähiger Kompromiss gefunden; die gesellschaftliche Debatte konnte befriedet werden. Bei der Sterbehilfe soll es ähnlich laufen.

So sollte Demokratie funktionieren - und so steht es nach Artikel 38 auch im Grundgesetz. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages seien "an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen", heißt es da.

Mindestlohn, Mütterrente und Pkw-Maut fallen allerdings nicht unter die Kategorie Gewissensentscheidung. Vielmehr handelt es sich bei diesen Gesetzen um typische Fälle von Fraktionszwang. Für den Fraktionszwang gibt es freilich weder eine verfassungsrechtliche Grundlage noch findet er sich in der Geschäftsordnung des Bundestags. Er wird aber stets im Koalitionsvertrag indirekt festgelegt, indem sich die Regierungsparteien auf ein einheitliches Abstimmungsverhalten im Bundestag einigen und wechselnde Mehrheiten ausschließen.

Die Befürworter des Prinzips betonen, dass nur so die Stabilität einer Regierung gewährleistet werden könne. Bei knappen Mehrheit wie einst unter Rot-Grün war der Fraktionszwang tatsächlich eine Art Existenzsicherung. In der großen Koalition ist er nur eine Frage des Prinzips, der inneren Disziplin und des äußeren Ansehens der Regierung.

Für Abgeordnete, die nicht nur in ethischen Fragen ein Gewissen, sondern auch bei anderen Themen feste Standpunkte haben, ist der Fraktionszwang immer wieder eine Herausforderung. Wer sich ihm entzieht, kann zwar nicht sein Mandat, aber doch seine Karriere-Aussichten verspielen.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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