Trenton Wie dick darf ein US-Präsident sein?

Trenton · Der übergewichtige Chris Christie, Gouverneur von New Jersey, rechnet sich Chancen aus, 2016 beim Duell ums Weiße Haus in den Ring zu steigen.

Mitt Romney nannte ihn "Kugelfisch". Als der millionenschwere Geschäftsmann einen Kandidaten fürs Vizepräsidentenamt suchte, ein Schlachtross, das mit ihm in den Wahlkampf ziehen sollte, gehörte Chris Christie zu den vier aussichtsreichsten Kandidaten. Romneys Stab, der unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit den Geeigneten aussieben sollte, gab ihm einen kuriosen Decknamen aus der Welt der Meerestiere. Es gibt keinen zweiten Politiker in Amerika, dessen Statur für so viel Gesprächsstoff sorgt. Christopher James Christie ist ein Schwergewicht, politisch ebenso wie körperlich.

Das alles wäre reine Privatsache, wäre der 51-Jährige nicht einer der Mitfavoriten fürs nächste Rennen ums Weiße Haus. In dem Fall möchten die Amerikaner schon wissen, ob jemand, der dereinst vielleicht Weltkrisen zu managen hat, fit genug ist, um eine volle Präsidentschaft durchzustehen. Vier, im Falle der Wiederwahl acht aufreibende Jahre. Dass Christie 2016 antritt, daran zweifelt niemand mehr. Seine Anhänger erklären ihn schon jetzt zum Retter der Republikaner.

Anfang 2013 saß Christie bei David Letterman im Studiosessel, und als ihn der Satiriker auf seine Taille ansprach, biss er demonstrativ in einen Donut. Kurz darauf, im Februar, ließ er sich ein Band um den Magen lege, es soll bewirken, dass er weniger essen kann. Was Christie vor der Operation wog, hat er nie verraten, die Schätzungen reichten von 140 bis 160 Kilogramm. Das war mehr, als William Taft auf die Waage brachte, der korpulenteste Präsident der US-Geschichte. Seit dem Eingriff hat Christie ein wenig abgenommen; er sehe nicht mehr aus wie ein Grizzly, eher wie ein Pandabär, schrieb neulich ein Magazin.

Christie ist völlig frei von der Nostalgie der "Gestern-war-alles-besser-Fraktion". Und als Kommunikator ein Naturtalent. Christie ist direkt und angriffslustig, er kann laut sein und profan, bodenständig und herzlich, er gibt den Helden der Arbeiterklasse, obwohl er sich bester Kontakte zu Großspendern erfreut. Bruce Springsteen, den Rockbarden, der über Amerikas vergessene Malocher singt, verehrt er wie eine Ikone. Rund 130 Springsteen-Konzerte hat er besucht und vor Freude geweint, als ihn der "Boss" jüngst auf der Bühne umarmte, nachdem er ihm jahrelang die kalte Schulter gezeigt hatte. Das war nach Hurrikan "Sandy", an den Stränden New Jerseys lagen die Achterbahnen der Vergnügungsparks zertrümmert im Wasser. Und obwohl das Duell ums Oval Office damals, Ende Oktober 2012, auf die Zielgerade ging, hatte Christie die Katastrophenhilfe des demokratischen Präsidenten gelobt. Seit "Sandy" gilt der "Kugelfisch" als ein Politiker, der Brücken über Parteigräben zu bauen versteht. Christie spiele für Obama die Rolle einer griechischen Säule. Er stütze ihn, wetterte Rush Limbaugh, ein rechter Radiotalker. "Wenn jemand denkt, dass ich mich im Augenblick auch nur das Geringste um Parteipolitik schere, dann kennt er mich nicht", dröhnte der Angegriffene.

Christie ist ein republikanischer Gouverneur in einem traditionell demokratisch dominierten Bundesstaat, in vielen Punkten vertritt er stramm konservative Positionen. Er lehnt die Schwulenehe ab, will das Abtreibungsrecht einschränken und predigt niedrige Steuern. Beim Waffenrecht und Einwanderungsparagrafen ist er dagegen flexibler als der harte Kern seiner Partei. Den Beginn seines politischen Höhenflugs verdankt er George W. Bush, für den er 2000 die Spendentrommel rührte. So geschickt, dass der Texaner den "Big Boy", wie er ihn scherzhaft nannte, zum Oberstaatsanwalt New Jerseys beförderte – das Sprungbrett zu allem, was folgte.

Später fanden Inspektoren des Justizministeriums heraus, dass Christie unter allen Oberstaatsanwälten der USA derjenige war, der die Reisesätze für Staatsdiener am öftesten überzog, am häufigsten in Luxushotels abstieg und dafür nur "unzureichende, ungenaue oder gar keine" Erklärungen parat hatte –Munition für seine Gegner im Jahr 2016. Als Gouverneur wiederum erwarb er sich den Ruf eines kompromisslosen Sanierers, der sich beispielsweise resolut mit der Lehrer-Gewerkschaft anlegte, um seinen Sparkurs durchzusetzen. Als ihn eine aufgebrachte Wählerin fragte, wie er es rechtfertigen könne, staatlichen Schulen die Mittel zu kürzen, während er seine eigenen vier Kinder auf eine Privatschule schicke, fertigte er sie nach typischer Christie-Manier ab: "Weißt du was, Mädchen, das geht dich nichts an."

(RP)
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