Berlin Wie soll die EU denn nun mit Putin umgehen?

Berlin · Fünf Stunden verhandelte der russische Präsident im Berliner Kanzleramt, dann erörterte der EU-Gipfel neue Sanktionen wegen Syrien.

Die Wörter der Nacht lauteten "sehr klar und sehr hart". So fasste Bundeskanzlerin Angela Merkel am frühen Morgen das Gespräch mit Russlands Staatspräsident Wladimir Putin im Kanzleramt über die Rolle seines Landes im syrischen Bürgerkrieg zusammen. Mit Hilfe Russlands versucht das Regime von Baschar al Assad, Fakten in der Stadt zu schaffen, die seit Jahren in Teilen von Rebellen gehalten wird.

Wie also umgehen mit Putin? Nach den fünfstündigen Verhandlungen in Berlin im sogenannten Normandie-Format (Russland, Frankreich, Ukraine, Deutschland) behielten sich sowohl der französische Staatspräsident François Hollande als auch die deutsche Bundeskanzlerin Sanktionen gegen Putin vor, um nach der Ukraine Moskau auch in Syrien unter Druck zu setzen. In diesen frühen Morgenstunden blieben beide jedoch noch relativ zurückhaltend.

Für Angela Merkel lag die Option zwar auf dem Tisch, sie fügte dem jedoch ein "Aber" hinzu: Vorrang habe die Frage, wie jetzt den Menschen in Syrien geholfen werden könne. "Damit wieder Licht am Ende des Tunnels ist und die Radikalisierung der Menschen nicht immer weiter fortschreitet." Genau das hatte der Westen Putin vorgehalten: Durch die Bombardierung erreiche Putin das Gegenteil der gewünschten Trennung von Zivilbevölkerung und Rebellen. "Sehr deutlich" habe sie Putin gesagt, dass zwar Terrorismus zu bekämpfen sei, "aber nicht um den Preis, dass 300.000 Menschen ihr Leben verlieren und ohne alle notwendige Versorgung dahinvegetieren", berichtete Merkel. Die Sorge macht sich am Vorgehen Russlands in den Tschetschenien-Kriegen fest, als in Grosny ebenfalls ganze Stadtviertel ohne Rücksicht auf Zivilisten dem Erdboden gleichgemacht worden waren.

Vor allem Hollande stellte in Berlin klar, dass es in Syrien nicht mehr um gezielte Schläge gegen Stellungen der islamistischen Terrormiliz gehe, sondern dass Kriegsverbrechen begangen würden. "Es werden Optionen eröffnet in Bezug auf Verantwortliche, auf Menschen, die diese Verbrechen begehen", lautete Hollandes Ankündigung für den EU-Gipfel, der am Nachmittag in Brüssel begann.

Dort hatte auch Merkel die Zurückhaltung aufgegeben. Es reiche nicht aus, nur stundenweise in Aleppo die Waffen schweigen zu lassen. Nötig sei ein dauerhafter Waffenstillstand. Das auch von Russland betriebene Bombardement sei "völlig unmenschlich gegenüber den Menschen, die in Aleppo wohnen". Und sie gab die Erwartung aus, dass der erhöhte Druck auf Moskau von allen EU-Partnern geteilt werde.

In einem Entwurf für die Schlusserklärung des Gipfels, aus dem die Nachrichtenagentur Reuters zitierte, wurde die Verantwortung dem syrischen Regime "und seinen Verbündeten, insbesondere Russland" zugeschrieben. Zugleich hieß es: "Die Verantwortlichen für die Verletzung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte müssen dafür zur Verantwortung gezogen werden." Dafür ziehe die EU "alle Optionen in Betracht, darunter weitere restriktive Maßnahmen gegen Individuen und Institutionen, die das Regime unterstützen, falls die gegenwärtigen Grausamkeiten weitergehen sollten".

Ungarn freilich hatte sich schon zuvor gegen weitere Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Er halte das nicht für mehrheitsfähig, sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto unserer Redaktion. "Der Vorschlag liegt zwar auf dem Tisch, er ist aber bisher nicht ausreichend konkretisiert worden. Außerdem müssten wir zunächst einmal eine ehrliche Bestandsaufnahme machen, wie sich die bisher schon wegen der Ukraine-Krise gegen Russland verhängten Sanktionen ausgewirkt haben", sagte Szijjarto. Vorher habe es keinen Sinn, weitere Maßnahmen zu erörtern.

Zu den immer wieder aufflackernden Gefechten in der Ost-Ukraine hatte das Treffen in Berlin zwar keinen Durchbruch, aber neue Absichtserklärungen gebracht. So soll nun ein detaillierter Zeitplan für die weitere Umsetzung des Minsker Friedensabkommens erarbeitet werden. Das sei eine "Sequenzierung der verschiedenen Schritte", so Merkel, also eine noch mehr unterteilte und konkretisierte Beschreibung von Handlungen, wie sie in den ursprünglichen Vereinbarungen von Minsk nicht enthalten waren, um zu einer dauerhaften Befriedung der Region zu kommen.

Bis Ende November soll diese "Roadmap" vorbereitet und bei einem Außenministertreffen beschlossen werden. Dazu gehört auch eine weitere "Entflechtung" der Truppen. Bewaffnete Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sollen das überwachen und weitere Bereiche kontrollieren können.

(RP)
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