Utøya Wieder Ferienlager auf Utøya

Utøya · Norwegens junge Linke erobern ihre Insel nach dem Breivik-Massaker zurück.

"Glede" ist das norwegische Wort für Freude, und die strahlen die meisten im Jugendcamp der norwegischen Arbeiterpartei (AUF) aus. Dass der Massenmörder Anders Behring Breivik am 22. Juli 2011 auf der Insel Utøya 69 Menschen kaltblütig erschoss, ist nicht vergessen. Aber besonders lebendig ist die Erinnerung auch nicht auf diesem Idyll im Tyrifjord. "Ich bin hier, um ein tolles Sommerlager zu erleben und Spaß zu haben", sagt die 21-jährige Iris Sandholt aus Troms im Norden Norwegens. Für sie ist es das erste Mal auf der Insel Utøya.

Bunte Zelte, Lagerfeuer, politische Diskussionen - im September sind Kommunalwahlen in Norwegen, und das Sommercamp der jungen Sozialdemokraten soll auch ein Warm-up für den Wahlkampf sein. Für Solidarität, für Toleranz, für Offenheit. Genau das, was Anders Behring Breivik so verachtete und was er mit seinen Anschlägen treffen wollte. "Wir dürfen Breivik nicht siegen lassen", heißt bis heute die Parole, und das bedeutet für AUF wie für die Arbeiterpartei: "Wir holen uns Utøya zurück. Die Insel zu verlieren, würde bedeuten, Breivik gewinnen zu lassen." Selbst die, die das Massaker überlebt haben und bereit sind, mit der Presse zu sprechen, weigern sich, die Emotionen hochkommen zu lassen: "Natürlich steckt diese Insel voller Erinnerungen, gute wie schlechte, und was wir jetzt versuchen, ist, mehr gute Erinnerungen zu schaffen", sagt Ragnhild Kaski, die inzwischen Generalsekretärin der AUF ist.

Es scheint so, als kämpfe die Arbeiterpartei darum, einen Mythos am Leben zu halten. Die Insel Utøya, die der AUF 1950 geschenkt wurde, ist das Herz der Arbeiterbewegung, sagt AUF-Chef Manu Hussaini. Jens Stoltenberg, damaliger Ministerpräsident, beschrieb Utøya als einen der Orte, die die norwegische Politik am meisten geprägt haben. Auch er will sich seine guten Erinnerungen nicht nehmen lassen. Wohl auch deshalb hatte er bereits einen Tag nach dem Anschlag zu den Angehörigen gesagt: "Wir holen uns Utøya zurück."

Tore Røyneland erinnert sich noch gut an den Tag. "Als Stoltenberg das sagte, dachte ich nur: Was kümmert mich Utøya? Ich will mein Kind zurück." Der Vater der 18-jährigen Synne hat Probleme, sich damit zu versöhnen, dass Utøya wieder als Sommerlager genutzt wird. "Utøya ist ein Tatort, an dem eine grausame und brutale Tat verübt wurde, und ich halte es für unpassend und unwürdig, hier ein Sommerlager mit Spiel und politischen Aktivitäten zu veranstalten."

Der Balanceakt zwischen erinnern und nach vorne schauen ist für Norwegen nicht leicht. Das Mahnmal für die Opfer, ein silberner Ring, in den die Namen der Toten eingraviert sind, ist der einzige Ort, an dem greifbar wird, was geschehen ist. Dort sind die Jugendlichen tatsächlich still.

(dpa)
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