Wien Wien: Regierung geschwächt, aber bestätigt

Wien · Die große Koalition kommt bei der Wahl in Österreich nur noch knapp über 50 Prozent. Gewinner ist die rechte FPÖ.

Die Österreicher haben ihre regierende große Koalition weiter geschwächt. Dennoch können die Sozialdemokraten (SPÖ) und die Konservativen (ÖVP) weiterregieren. SPÖ und ÖVP kommen nach Hochrechnungen des österreichischen Fernsehens gemeinsam auf knapp über 50 Prozent. Im Nationalrat mit seinen 183 Sitzen hätten beide Parteien damit 98 Mandate. Stärkste Partei bleibt trotz eines historischen Tiefstands mit gut 26 Prozent die SPÖ mit Bundeskanzler Werner Faymann. Die ÖVP sackte auf weniger als 24 Prozent ab. Seit der Wahl 2006 haben SPÖ und ÖVP zusammen damit rund 20 Prozentpunkte eingebüßt.

Die rechte FPÖ legte klar zu und landete nur knapp hinter der ÖVP. Parteichef Heinz-Christian Strache sprach von einem "blauen Wunder" und ließ sich als Wahlgewinner feiern. Mit mehr als 20 Prozent sind die Rechten aktuell wieder so stark, wie sie zuletzt Mitte der 90er Jahre unter Jörg Haider waren. Das Konzept, bei gleichen Botschaften weniger aggressiv und staatsmännischer — und damit für mehr Menschen wählbar — aufzutreten, ging für Strache offenbar auf. Die Fremdenfeindlichkeit kaschierte auf Plakaten der Slogan "Liebe deinen Nächsten". Erst der Nachsatz "Für mich sind das unsere Österreicher" machte die Stoßrichtung der Kampagne klar.

Gewinne verzeichneten auch die Grünen, die deutlich über zehn Prozent erzielten. Zwei neue Parteien schafften laut Hochrechnungen direkt den Einzug in den Nationalrat: das "Team Stronach" des 81-jährigen Milliardärs Frank Stronach und die liberalen Neos. Das Bündnis setzt sich aus enttäuschten ÖVPlern, aber auch ehemaligen Grünen und Sozialdemokraten zusammen. An der Vier-Prozent-Hürde gescheitert ist dagegen nach herben Verlusten das "Bündnis Zukunft Österreich", ein Haider-Projekt.

ÖVP-Generalsekretär Johannes Rauch sah das Wahlergebnis als "klaren Denkzettel" für die Regierung. "Die große Koalition mit Bundeskanzler Faymann hat nicht optimal funktioniert", sagte Rauch. Die seit 2007 amtierende Regierung ist nicht populär, hatte aber das Land vergleichsweise sicher und erfolgreich durch die Krisenjahre gesteuert. Bei vielen wichtigen Reformvorhaben (Steuersystem, Arbeitsmarkt, Pensionen, Bildung) waren SPÖ und ÖVP allerdings nicht vorangekommen. Dabei war extra wegen dieser Reformaufgaben die Legislaturperiode um eines auf fünf Jahre verlängert worden.

Die höchste Aufmerksamkeit im Wahlkampf hatte über weite Strecken der austrokanadische Milliardär Frank Stronach erregt, der erst vor einem Jahr noch in die Politik eingestiegen war und mit seinem unverwechselbaren steirischen Yankee-Slang gleich die Revolution in Österreich ausgerufen hatte: "Ick will das Sistäm ändern." Mittlerweile ist allerdings auch Stronach im Sinkflug — sein "Team" landete gestern weit entfernt von zweistelligen Ergebnissen, ein mageres Resultat.

Dass Stronachs Partei mittlerweile in drei Bundesländern mitregiert, verdankt sie nur der anfänglich blinden Begeisterung. Inzwischen kennt man den langjährigen Konzernchef des kanadischen Autozulieferers Magna besser; das Magazin "Profil" hatte Stronach sogar zur "Lachnummer" des Wahlkampfs erklärt. Mit Plädoyers für die Wiedereinführung der Todesstrafe, für eine "starke Regierung" ohne Parlament und mit wirren Erweckungspredigten entlarvte sich Stronach als Anhänger autoritärer Systeme. Das Phänomen Stronach habe sich "einfach totgelaufen", sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle.

Stronach und die FPÖ eint eine sehr eurokritische Haltung, wovon sich nach dem Ergebnis fast 30 Prozent der Österreicher angesprochen fühlten. Mit der Euro-Krise begründete die SPÖ in ihrer ersten Reaktion auch ihr historisch schlechtestes Ergebnis. Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos sagte, während der Krise seien in Europa 20 von 24 Regierungen abgewählt worden, doch die Sozialdemokraten in Österreich hätten sich behauptet.

(gru/RP)
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