Persönlich Winfried Kretschmann . . . lästert über seine Partei

Die grüne Einigkeit vom Parteitag der vergangenen Woche währte exakt fünf Tage. Dann durchbrach sie der Mitschnitt eines Videos, der gestern bekannt wurde. Protagonist: Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Ober-Realo der Grünen. Er wetterte, schimpfte, kriegte sich kaum mehr ein, so sehr hat ihn der Parteitagsbeschluss zum Ausstieg aus der Verbrennungsmotor-Technologie erzürnt. Kretschmann hat es wieder getan, er hat über seine Partei gelästert.

In einem heimlich auf dem Parteitag aufgenommenen Video stellt der 69-Jährige im Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel den Beschluss harsch infrage. Er glaubt nicht, dass es bis 2030 gelingt, die notwendige Zahl an Ladestationen für einen vollständigen Wechsel zum Elektroauto zu installieren. "Schwachsinns-Termine" seien das, sagt Kretschmann. Dann solle die Partei nicht über Ergebnisse von sechs Prozent jammern, wenn sie solch unrealistische Forderungen stelle. "Dann lasst mich in Ruhe und macht euren Wahlkampf selber", schimpft er. Das Video hat die islamfeindliche und rechtspopulistische Plattform jouwatch.com veröffentlicht. Die baden-württembergische Staatskanzlei sprach von einem "Lauschangriff".

Kretschmann, der es von einer maoistischen Bewegung bis an die Spitze einer Landesregierung geschafft hat, steht vor allem mit dem linken Flügel seiner Partei auf Kriegsfuß. Man könnte ihn bedenkenlos in der CDU wähnen, deren Wähler er mit seiner moderaten und wirtschaftsfreundlichen Art anspricht. Es ist nicht das erste Mal, dass "Kretsch" mit seiner Partei über Kreuz liegt. Zuletzt war es in der Debatte um die sicheren Herkunftsstaaten, in der Baden-Württemberg konträr zur grünen Position gestimmt hat. Sein Erzfeind ist Jürgen Trittin: Der Weltverbesserer sieht viele Dinge anders als der Pragmatiker Kretschmann.

(RP)
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