Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) "Wir wollen Integration gesetzlich verankern"

Düsseldorf · Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer ist dafür, Flüchtlingen die Leistungen zu kürzen, wenn sie sich nicht an Regeln halten.

 Annegret Kramp-Karrenbauer (53) ist seit 2011 Ministerpräsidentin des kleinsten deutschen Flächenlands. Zuvor war sie saarländische Innenministerin (und damit die erste Frau überhaupt mit diesem Amt in der Bundesrepublik), Bildungs- und Arbeitsministerin. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder.

Annegret Kramp-Karrenbauer (53) ist seit 2011 Ministerpräsidentin des kleinsten deutschen Flächenlands. Zuvor war sie saarländische Innenministerin (und damit die erste Frau überhaupt mit diesem Amt in der Bundesrepublik), Bildungs- und Arbeitsministerin. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder.

Foto: Andreas Endermann

Vor dem CDU-Parteitag sieht die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Partei wegen der Flüchtlingskrise vor einer Zerreißprobe. Zugleich mahnt sie besseren Schutz der EU-Außengrenzen an.

Frau Kramp-Karrenbauer, wird der CDU-Parteitag in Karlsruhe der letzte mit der Vorsitzenden Angela Merkel?

Kramp-Karrenbauer Ganz sicher nicht.

Was macht Sie so sicher, dass Merkel die schwerste Krise ihrer Amtszeit unbeschadet übersteht?

Kramp-Karrenbauer Ich würde nicht von Krise sprechen, aber zweifellos ist die Flüchtlingsfrage eine der größten Herausforderungen der jüngsten Zeit. Weder in der Öffentlichkeit noch in der CDU ist dieses Thema populär. Wir müssen es aber trotzdem lösen.

Offenbar hat Merkel die Folgen ihrer Politik nicht bedacht.

Kramp-Karrenbauer Das stimmt nicht. Das würde bedeuten, dass die Entscheidung der Kanzlerin im September und zwei Handy-Fotos den Flüchtlingsstrom erst ausgelöst hätten. Die Zahlen stiegen aber schon seit 2013 kontinuierlich.

Warum haben Sie als Verantwortliche nicht früher gegengesteuert?

Kramp-Karrenbauer Den Vorwurf kann man durchaus machen. Die Länder haben das immer wieder angemahnt. Aber Schuldzuweisungen bringen nichts. Gemeinsame Lösungsstrategien sind gefragt.

Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der Muslime in Deutschland um ein Viertel gestiegen, sagt ausgerechnet der Zentralrat der Muslime. Verstärkt das nicht das Unbehagen gegen muslimische Einwanderer?

Kramp-Karrenbauer Man hat den Eindruck, dass das Misstrauen gegenüber Muslimen, gerade nach den furchtbaren Anschlägen in Paris, gestiegen ist. Deshalb muss man bei der Debatte auch die Relationen beachten. In Deutschland leben 3,5 Millionen Muslime in einer Bevölkerung von 82 Millionen. Unter den Flüchtlingen sind auch Jesiden, Christen und andere Religionen. Wir sollten die Zahlen deshalb nicht verabsolutieren und dramatisieren.

Können Sie die Ängste der Menschen angesichts der großen Veränderungen durch die Flüchtlingszahlen nicht verstehen?

Kramp-Karrenbauer Ich kann die Ängste durchaus verstehen, doch ich will ihnen keinen Vorschub leisten. Im Saarland, einem katholisch geprägten Bundesland, leben zahlreiche Muslime. Noch keiner von ihnen hat das Martins- oder Nikolausfest infrage gestellt oder an Adventsfeiern herumgemäkelt. Das waren eher atheistisch gesinnte Kreise.

Warum dann diese Islamfeindlichkeit?

Kramp-Karrenbauer Viele unterscheiden nicht zwischen friedlichen Muslimen, die genau wie wir nach Wohlstand und Sicherheit streben, und Fanatikern, die den Islam für ihre Verbrechen missbrauchen. Deshalb bereitet mir das zunehmende Misstrauen in Deutschland große Sorge.

Was ist zu tun?

Kramp-Karrenbauer Wir müssen dem aktiv entgegenwirken. Dazu brauchen wir auch die muslimischen Verbände, die bei der Integrationsarbeit der Zufluchtsuchenden eine stärkere Rolle spielen müssen.

Vielen Menschen macht Angst, dass wir den Zustrom nicht beherrschen. Müssen wir die Außengrenzen nicht besser bewachen?

Kramp-Karrenbauer Da bin ich entschieden dafür. In Griechenland ist die Situation bisher alles andere als befriedigend gelöst. Die Grenzsicherung muss stärker in europäische Hände gelegt werden. Die Grenzschutz-Agentur Frontex braucht dringend mehr Befugnisse und ein belastbareres Mandat.

Brauchen wir eine europäische Flüchtlingsbehörde ähnlich der der Vereinten Nationen?

Kramp-Karrenbauer Die internationalen Organisationen sagen uns, dass wir Europäer in Flüchtlingsfragen nicht optimal aufgestellt sind. Ich kann mir also eine Reihe von Maßnahmen vorstellen bis hin zu einer Behörde ähnlich dem UNHCR oder einem europäischen Flüchtlingskommissar. Dafür müssen nicht unbedingt neue Posten oder Ämter geschaffen werden, sondern bestehende europäische Institutionen könnten umstrukturiert werden mit der Schwerpunktaufgabe "Flüchtlingszuzug" oder die Kommissionsbereiche anders zugeschnitten. Auf jeden Fall müssen die EU und ihre Institutionen besser als bisher Krisenbewältigung betreiben. Erste Aufgabe für Europa sollte jetzt heißen: Schutz der Außengrenzen und gerechte Verteilung der Flüchtlinge im Innern.

Geht Merkel mit den EU-Ländern, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, zu sanft um?

Kramp-Karrenbauer Die Bundeskanzlerin hat zu Recht große Sorge, dass Europa an der Flüchtlingsfrage zerbrechen könnte. Deshalb müssen wir klug vorgehen. Wir müssen zum Beispiel über Konsequenzen nachdenken, wenn osteuropäische Länder bei einer fairen Verteilung der Flüchtlinge nicht mithelfen wollen. Künftige EU-Programme könnten an die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen geknüpft werden.

Bei der Integration der großen Flüchtlingszahl scheint Deutschland aber ebenfalls zu kapitulieren.

Kramp-Karrenbauer Dass wir kapitulieren , das kann ich nicht erkennen. Wir stellen uns dieser schweren Herausforderung.

Das klingt ein bisschen nach Pfeifen im Walde.

Kramp-Karrenbauer Die CDU will die Integration gesetzlich verankern mit Rechten und Pflichten der Zuwanderer. Dazu gehört nicht nur die Akzeptanz der Werte, denen wir uns verpflichtet fühlen und die im Grundgesetz aufgeschrieben sind, sondern auch gelebte Vorschriften wie etwa die Schulpflicht für Kinder. Wer sich den Regeln widersetzt, muss mit Kürzungen bei Leistungen rechnen.

Es bleibt bei Absichtserklärungen.

Kramp-Karrenbauer Das sind keine Absichtserklärungen, sondern wir gehen Schritt für Schritt voran. Denn wenn wir das Flüchtlingsproblem mit den vielen unterschiedlichen Instrumenten nicht dauerhaft nachhaltig in den Griff bekommen, wird es schwierig in Deutschland. Wir müssen den Zuzug besser steuern und reduzieren. Das erwarten die Menschen von uns.

MARTIN KESSLER FASSTE DAS GESPRÄCH ZUSAMMEN.

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(RP)
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