Berlin/Belgrad Putin will Einfluss auf dem Balkan - Merkel warnt vor Flächenbrand

Berlin/Belgrad · Die Kanzlerin wirft dem russischen Präsidenten Aggression und Denken in Einflusssphären vor.

Angesichts einer weiteren Zuspitzung des Konflikts zwischen der Europäischen Union und Russland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in ungewöhnlich scharfer Form die Moskauer Führung angegriffen. Sie warnte vor einem Flächenbrand. Hintergrund sind die offensichtlichen Versuche von Russlands Präsident Wladimir Putin, nach der Ukraine nun auch Balkan-Staaten wie Serbien von einer Annäherung an die EU abzuhalten und sie in den russischen Einflussbereich zu bekommen. "Es ist zu befürchten, dass Russland die Energielieferungen an Serbien stärker als Erpressungspotenzial nutzen wird", sagte der Unionsvize Andreas Schockenhoff unserer Zeitung.

Der CDU-Außenexperte knüpfte an eine vertrauliche Analyse des Auswärtigen Amtes an, wonach Putin über Gaslieferungen, Militärzusammenarbeit und Investitionen in die serbische Infrastruktur Belgrad näher an Moskau binden und eine Annäherung an die EU verhindern will. Deshalb hat Russland nach Informationen aus diplomatischen Kreisen auch seine Präsenz in Serbien in letzter Zeit massiv erhöht. Wie groß das Ansehen Putins inzwischen geworden ist, wurde bei seinem Besuch in Serbien Mitte Oktober deutlich. Erst mit mehrstündiger Verspätung begann ein mit Merkel in Mailand vereinbartes Gespräch, weil Putin sich in Belgrad erst noch feiern ließ.

Die Reise von Vizekanzler Sigmar Gabriel nach Serbien bekam deshalb auch eine aktuelle politische Brisanz. Gabriel betonte, der Beitritt zur EU sei eine Entscheidung für Europa, für Demokratie und die Unverletzlichkeit der Grenzen, nicht aber gegen ein anderes Land. Der serbische Premier Alexander Vucic versuchte nach dem Gespräch mit Gabriel, seine Unabhängigkeit zu demonstrieren. "Wir sind ein unabhängiges Land und tragen den Namen Serbien mit Stolz", sagte Vucic. Serbien treffe seine Entscheidungen selbst, betonte er.

Zum Abschluss ihres Australien-Besuches hatte die Bundeskanzlerin in scharfem Ton vor dem Putin-Kurs gewarnt. In altem Denken sehe Russland die Ukraine als seine Einflusssphäre und trete das internationale Recht mit Füßen. Merkel warf Moskau "Einflussnahme zur Destabilisierung der Ost-Ukraine vor". Sie wolle keine Wiederbelebung der DDR-Zeiten, als ohne Zustimmung Moskaus keinerlei Bewegung möglich gewesen sei, hob Merkel hervor. Dies sei mit westlichen Werten nicht zu vereinbaren. "Es geht ja nicht nur um die Ukraine", erläuterte Merkel und fuhr fort: "Es geht um Moldawien, es geht um Georgien, wenn es so weiter geht, kann man fragen, muss man bei Serbien fragen, muss man bei den Westbalkanstaaten fragen."

In einem ARD-Interview räumte Putin den Militäreinsatz zur Annexion der Krim ein: "Unsere Streitkräfte haben die ukrainischen Streitkräfte blockiert, die auf der Krim stationiert waren", sagte der russische Präsident. EU- und US-Sanktionen gegen Russland stellte er mit den Worten infrage: "Denken sie überhaupt nach, was sie tun?" Früher oder später habe das nicht nur Auswirkungen für Russland, sondern auch für Deutschland.

Die EU-Außenminister bereiteten angesichts anhaltender Kämpfe in der Ost-Ukraine Sanktionen gegen weitere Separatisten vor. Über die bisher betroffenen 119 Personen und 23 Unternehmen hinaus sollen weitere Adressaten mit Einreiseverboten und Kontensperrungen belegt werden.

(may-, qua)
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