Syrisch, männlich, jung Welche Flüchtlinge jetzt nach Deutschland kommen

Berlin/Düsseldorf · Tausende Asylbewerber drängen nach Deutschland, getrieben von Krieg, Terror und Ungerechtigkeit. Aber wer sind die Flüchtlinge eigentlich? Warum sind so viele junge Männer dabei? Und wie gut ausgebildet sind sie wirklich?

Woher kommen aktuell die meisten Flüchtlinge? Wie alt sind sie?
Foto: ap

Eine Soziologie zu den Einreisenden.

Woher kommen aktuell die meisten Flüchtlinge?

Syrer sind im Sommer mit weitem Abstand auf Platz eins der Asylbewerber vorgerückt. Von den 33.447 registrierten Anträgen kamen 10.112 von Syrern, 8234 von Albanern und 2270 von Afghanen. Bezogen auf die ersten acht Monate des Jahres, verzeichnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) knapp 53.000 Erst- und Folgeanträge von Syrern, 38.000 von Albanern und 31.000 von Kosovaren.

Wie alt sind die Flüchtlinge?

Nach einer BAMF-Statistik über die im ersten Halbjahr verzeichneten Antragsteller bestand die größte Gruppe aus Kindern und Jugendlichen (66.601 von 218.221), gefolgt von den 18- bis 24-Jährigen (50.280), den 25- bis 29-Jährigen (33.481) und den 30- bis 34-Jährigen (16.553). Jeder zweite Flüchtling ist also jünger als 25.

Kommen wirklich mehr Männer als Frauen?

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Bei den Jüngsten ist der Unterschied noch nicht so markant (31.150 Jungen und 26.663 Mädchen unter 16 Jahren), bei den Älteren sogar fast ausgeglichen. Eklatant ist er aber in der größten Altersgruppe: Bei den 16- und 17-Jährigen ist das Verhältnis drei zu eins (6670 junge Männer und 2118 junge Frauen) und bei den 18- bis 24-Jährigen sogar vier zu eins (39.778 Männer und 10.502 Frauen). Das liegt daran, dass Familien in typischen Herkunftsländern ihre Hoffnung darauf setzen, dass die Stärksten schon durchkommen werden, und das sind dann in der Regel junge Männer. Sie sollen, wenn sie Fuß gefasst haben, weitere Familienmitglieder nachholen. Im Schnitt stellten in diesem Jahr doppelt so viele Männer wie Frauen (147.526 zu 70.695) Asylanträge.

Welche Bildung bringen die Flüchtlinge mit?

Das BAMF hat in diesem Jahr bis August rund 105.000 Flüchtlinge näher dazu befragt. Daraus ergibt sich, dass 13 Prozent eine Hochschule besuchten, 17,5 Prozent ein Gymnasium, 30 Prozent eine Mittelschulbildung haben. Acht Prozent sagten, sie hätten keine Schule besucht. Weniger als die Hälfte (47 Prozent) erklärten, aus guten oder durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen zu kommen.

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Sind Syrer besser ausgebildet?

Die Auswertung der Befragung von gut 28.000 syrischen Flüchtlingen ergibt in der Tat signifikante Unterschiede: 62 Prozent gaben an, aus guten oder durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen zu kommen. 25 Prozent sagten, sie hätten studiert, weitere 25 Prozent hatten ein Gymnasium besucht, 17 Prozent eine Grundschule und 23 Prozent eine Mittelschule. Nur drei Prozent hatten keine Schulbildung.

Wie läuft die Integration in den Arbeitsmarkt?

Die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt ist deutlich aufwendiger als die Vermittlung anderer Arbeitskräfte - nicht nur wegen der Sprachbarrieren. Häufig müssen die Vermittler erst einmal herausfinden, was die Flüchtlinge können. Es gibt Programme der Bundesagentur für Arbeit, in denen die Vermittler mit den Flüchtlingen in Betriebe gehen, damit sie dort praktisch ihre Fähigkeiten demonstrieren können. Die Wissenschaftler des von der Bundesagentur getragenen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung rechnen damit, dass von den Flüchtlingen deutlich mehr als die Hälfte, etwa 55 bis 70 Prozent, keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Dies liegt teilweise auch an ihrem geringen Alter.

Auf welchem Weg kommen die Flüchtlinge?

In der Regel nutzen sie die gefährliche Balkan-Route. Diese geht von Syrien und dem Irak aus zunächst durch die Türkei, dann oft per Schiff nach Griechenland, weiter nach Mazedonien und Serbien und dann über Ungarn und Österreich nach Deutschland. Nach der Wiedereinführung von Grenzkontrollen und dem restriktiven ungarischen Vorgehen werden die Schleuser Ausweichwege ausprobieren. Afrikanische Flüchtlinge kommen vor allem über das Mittelmeer nach Italien.

Wie kommt das Innenministerium auf seine Prognose von 800.000 Flüchtlingen bis Jahresende?

Die Schätzung stützt sich auf die zu erwartende Zahl der Menschen, die im sogenannten Easy-System registriert werden (Erstverteilung der Asylbegehrenden). Mithilfe der IT-Anwendung wird jede Person (idealerweise) bei ihrem Grenzübertritt registriert. Aufgrund dieser Erhebungen werden die Migranten nach dem "Königsteiner Schlüssel" auf die Bundesländer verteilt. Auf Anfrage heißt es: "Dass die erwartete Zahl an Menschen, die in Deutschland um Asyl ersuchen, im Vergleich zur Frühjahrsprognose rund doppelt so hoch ausfällt, ist zunächst vor allem auf den nicht vorhersehbaren dramatischen Anstieg der Einreisezahlen seit Juni und Juli 2015 zurückzuführen."

Stellen all diese Menschen einen Asylantrag?

Nein. "Zehn bis 20 Prozent der in Easy registrierten Personen stellen keinen Antrag", sagt Olaf Kleist, Migrationsforscher an der Universität Oxford. In der Vergangenheit seien deshalb oft Zahlen miteinander verglichen worden, die man eigentlich nicht miteinander vergleichen konnte. Im ersten Halbjahr dieses Jahres standen den 218.221 Asylanträgen 309.075 Personen im Easy-System gegenüber. Auch die erste Prognose des BAMF vom Mai (450.000 Flüchtlinge bis Jahresende) stützte sich lediglich auf die Zahl der Asylantragsteller.

(may-, qua)
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